Schwangerschaft, Mutterschaft und diskriminierende Kündigungen beschäftigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber gleichermassen. Meine Präsentation anlässlich des WEKA-Arbeitsrechtskongresses verschafft einen Überblick über die Fallstricke:
Übersicht
- Schwangerschaft
- Mutterschaft
- Fall 1: Der reaktionsschnelle Arbeitgeber
- Fall 2: Die schlaue Mitarbeiterin
- Fall 3: Kündigung nach Wiederaufnahme der Arbeit
- Fall 4: Der Königsweg
- Fall 5: Der Wunsch nach Pensumsreduktion
- Fall 6: Böse Überraschung
- Fall 7: Mutter mit Familienpflichten
- Fall 8: Vater mit Familienpflichten
- Fall 9: Tragischer Fall
Gesetzliche Grundlagen
1. Arbeitsgesetz (Art. 35 ff. ArG) und Vollzugsverordnungen
- Schützt die Gesundheit von Schwangeren, Wöchnerinnen und stillenden Müttern.
- Beschreibt die Voraussetzungen, unter denen diese Frauen beschäftigt werden dürfen.
- Achtung: Das ArG erfasst nicht alle Betriebe und nicht alle Arbeitnehmerinnen (nicht erfasst sind z.B. private Haushalte und höhere leitende Angestellte; dazu Art. 1–4 ArG).
2. Obligationenrecht (Art. 319 ff.)
- Regelt die Lohnfortzahlung (Art. 324a OR).
- Enthält Kündigungsschutzbestimmungen (Art. 336c Abs. 1 lit. c; Art. 336 Abs. 1 lit. a und d OR).
3. Erwerbsersatzgesetz (Art. 16 b ff. EOG) und Verordnung (Art. 23 ff. EOV)
- Regelt die Entschädigung berufstätiger Frauen bei Mutterschaft.
4. Gleichstellungsgesetz (GlG)
- Verbietet die geschlechterspezifische Diskriminierung.
- Mutterschutzverordnung
- Regelt die Kriterien für die Beurteilung der gefährlichen und beschwerlichen Arbeiten.
Schwangerschaft / Kündigungsschutz
1. Zeitlicher Kündigungsschutz
- Probezeit: Kein zeitlicher Kündigungsschutz (Art. 336c Abs. 1 OR)
- Nach Ablauf der Probezeit: Während der Schwangerschaft und 16 Wochen nach der Niederkunft (Art. 336c Abs. 1 lit. c OR)
2. Sachlicher Kündigungsschutz
- Kündigung während der Probezeit kann missbräuchlich sein (Art. 336a Abs. 1 lit. a und d OR).
- Schutz vor diskriminierenden Kündigungen
- Kündigung während der Probezeit kann diskriminierend sein (Art. 9 GlG).
Schwangerschaft / Einschränkungen bei der Arbeit
1. Gefährliche oder beschwerliche Arbeiten (Art. 62 ArGV 1)
- Nur zulässig, wenn aufgrund einer Risikobeurteilung feststeht, dass keine gesundheitliche Belastung für Schwangere und Kind vorliegt oder wenn eine solche Belastung durch geeignete Schutzmassnahmen ausgeschaltet werden kann.
- Die gefährlichen und beschwerlichen Arbeiten werden in der Mutterschaftsverordnung definiert.
- Die Risikobeurteilung muss vor Beginn von Frauen im Betrieb durch eine fachlich kompetente Person durchgeführt werden, falls in einem Betrieb Arbeiten ausgeführt werden, die für die Schwangere oder das Kind gefährlich oder beschwerlich sein können.
- Der Arbeitgeber muss Schwangeren, die eine gefährliche oder beschwerliche Arbeit verrichten, nach Möglichkeit eine gleichwertige Ersatzarbeit ohne Risiken anbieten.
2. Abend- und Nachtarbeiten
- Während der ersten sieben Monate der Schwangerschaft: Die Arbeitnehmerin, die zwischen 20.00 und 06.00 Uhr arbeitet, kann verlangen, für eine gleichwertige Tagesarbeit eingesetzt zu werden (Art. 35b Abs. 1 ArG).
- Ab der achten Woche vor Niederkunft: Die Arbeitnehmerin darf nicht zwischen 20.00 und 06.00 Uhr eingesetzt werden (Art. 35a Abs. 4 ArG).
3. Keine gleichwertige Ersatzarbeit und Lohnzahlung
- Kann der Arbeitgeber keine gleichwertige Ersatzarbeit anstelle der gefährlichen oder beschwerlichen Arbeit oder, im Falle von Abend- und Nachtarbeit, keine gleichwertige Tagesarbeit anbieten, haben die Arbeitnehmerinnen das Recht, die Arbeit nicht zu verrichten. Sie haben sodann Anspruch auf 80% des Lohnes (Art. 35 Abs. 3 und Art. 35b Abs. 2 ArG).
Schwangerschaft / Weitere Besonderheiten
1. Weitere Besonderheiten
- Keine Verlängerung der vertraglich vereinbarten ordentlichen Dauer der täglichen Arbeitszeit zulässig. Die tägliche Arbeitszeit darf überdies in keinem Fall neun Stunden überschreiten (Art. 60 Abs. 1 ArGV 1).
- Eine Schwangere darf auf blosse Anzeige hin von der Arbeit wegbleiben oder diese verlassen (Art. 35a Abs. 2 ArG). Der Lohn ist aber nur bei Nachweis der Arbeitsunfähigkeit (Arztzeugnis) geschuldet.
- Schwangere dürfen nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden (Art. 35a Abs. 1 ArG).
- Schwangere müssen sich unter geeigneten Bedingungen hinlegen und ausruhen können (Art. 34 ArGV 3).
Schwangerschaft / Lohnfortzahlung
1. Lohnfortzahlung während Schwangerschaft
- Schwangerschaft bedeutet nicht Arbeitsunfähigkeit. Nur wenn Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen wird, besteht Anspruch auf eine Lohnfortzahlung nach Art. 324a OR.
- Diese Lohnfortzahlung ist nicht mitderjenigen zu verwechseln, die ein Arbeitgeber leisten muss, der im Falle von gefährlichen oder beschwerlichen Arbeiten keine andere gleichwertige risikolose Ersatzarbeit bzw. im Falle von Abend- und Nachtarbeit keine gleichwertige Tagesarbeit anbieten kann.
Schwangerschaft / Ferienkürzung
1. Ferienkürzung
- Eine Ferienkürzung ist nur zulässig, wenn die Absenz wegen der Schwangerschaft länger als zwei Monate gedauert hat. Dies bedeutet, dass die Kürzung erst ab dem dritten vollen Monat Absenz mit einem Zwöftel zulässig ist (Art. 329b Abs. 3 OR).
Mutterschaft / Einschränkungen bei der Arbeit
1. Beschäftigungsverbot
- Verbot der Beschäftigung während 8 Wochen nach der Niederkunft (Art. 35a Abs. 3 ArG).
2. Einverständnis der Beschäftigung
- Von der 9. bis zur 16. Woche nach der Niederkunft darf die Mutter nur mit ihrem Einverständnis arbeiten (Art. 35a Abs. 3 ArG).
- Diese Regelung ist in Anbetracht des Mutterschaftsurlaubs nur noch für die 15. und 16. Woche nach der Niederkunft von Bedeutung (entschliesst sich die Mutter bereits nach der 8. Woche wieder zur Arbeit, liegt ihr Einverständnis vor).
3. Abend- und Nachtarbeit
- Entschliesst sich die Mutter, nach 8 Wochen nach der Niederkunft ihre Arbeit wieder aufzunehmen, muss der Arbeitgeber auf Verlangen Frauen, die zwischen der 8. und der 16. Woche nach der Niederkunft am Abend und in der Nacht (zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr) arbeiten, eine gleichwertige Tagesarbeit anbieten oder 80% des Lohnes bezahlen (Art. 35b Abs. 1 und 2 ArG; bei Mutterschaftsurlaub ist dies für die 15. und 16. Woche relevant).
4. Einschränkung der Leistungsfähigkeit
- Die Mutter darf gegen Vorlage eines Arztzeugnisses in den ersten Monaten nicht zu Arbeiten herangezogen werden, die ihre Leistungsfähigkeit übersteigen (Art. 64 Abs. 2 ArGV 1). Das Arztzeugnis muss Auskunft geben, welche Arbeiten die Betroffene ausüben kann und welche nicht.
5. Beschränkung der Arbeitszeit
- Keine Verlängerung der vertraglich vereinbarten ordentlichen Dauer der täglichen Arbeitszeit für stillende Mütter zulässig. Die tägliche Arbeitszeit darf überdies in keinem Fall neun Stunden überschreiten (Art. 60 Abs. 1 ArGV 1).
Mutterschaft / Stillzeit
1. Stillzeit
- Stillenden Müttern dürfen keine gefährlichen oder beschwerlichen Tätigkeiten zugewiesen werden (Art. 64 Abs. 3 ArGV 1).
- Falls keine gleichwertige, gefahrlose Ersatzarbeit angeboten werden kann, haben sie Anspruch auf 80% des Lohnes.
- Die stillende Mutter muss sich unter geeigneten Bedingungen hinlegen und ausruhen können.
- Es besteht ein Anspruch auf die zum Stillen bzw. zum Abpumpen erforderliche freie Zeit. Davon werden im ersten Lebensjahr des Kindes als bezahlte Arbeitszeit angerechnet (Art. 60 Abs. 2 ArGV 1):
- Bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu 4 Stunden: mindestens 30 Minuten.
- Bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 4 Stunden: mindestens 60 Minuten.
- Bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 7 Stunden: mindestens 90 Minuten.
- Die erforderliche Stillzeit gilt nicht als Ruhezeit.
- Keine Anrechnung an Überstundenkompensation und / oder an Ferien zulässig.
Mutterschaft / Mutterschaftsurlaub / Ferienkürzung
1. Mutterschaftsurlaub (Art. 329f OR)
- Anspruch auf mindestens 14 Wochen (98 Tage)
- Eine Unterbrechung des Mutterschaftsurlaubs ist nicht möglich.
- Höhe der Taggeldleistungen: 80% des Lohnes (Art. 16e EOG), höchstens aber CHF 196.00 pro Tag (dies entspricht 80% eines Lohnes von CHF 7’350.00).
- Ausnahmen sind möglich, falls die Mutter vor der Niederkunft höhere Leistungen von der Arbeitslosen‑, Unfall‑, Invaliden‑, Kranken- oder Militärversicherung bezogen hat.
2. Voraussetzungen
- Die Mutter muss während der 9 Monate vor der Niederkunft bei der AHV versichert sein (6 Monate im Fall der Niederkunft vor dem 7. Monat der Schwangerschaft, 7 Monate im Fall der Niederkunft vor dem 8. Monat der Schwangerschaft und 8 Monate im Fall der Niederkunft vor dem 9. Monat der Schwangerschaft)
- Die Mutter muss mindestens 5 Monate in dieser Zeit vor der Niederkunft gearbeitet haben.
- Zur Ermittlung der Mindestversicherungsdauer müssen die in einem EU/EFTA-Staat zurückgelegten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten angerechnet werden.
3. Beginn des Urlaubs
- Der Urlaub beginnt, wenn das Kind lebensfähig geboren wird. Die Dauer der Schwangerschaft ist ohne Bedeutung (Art. 16c Abs. 1 EOG).
- Falls das Kind tot geboren wird oder nach der Geburt verstorben ist, hat die Mutter Anspruch auf Leistungen, wenn die Schwangerschaft mindestens 23 Wochen gedauert hat.
- Der Urlaub endet nach Ablauf der 14 Wochen. Er endet auch dann, wenn die Mutter die Arbeit vor Ablauf wieder aufnimmt (dies darf sie nach der 8. Woche nach der Niederkunft).
4. Aufschub
- Falls das Kind während mindestens drei Wochen nach der Geburt im Spital bleiben muss, kann die Mutter einen Aufschub der Zahlungen verlangen, bis sie das Kind nach Hause nehmen kann (Art. 24 EOV).
- Die Frage, ob die Arbeitnehmerin während der Aufschubszeit einen Lohnanspruch im Sinne von Art. 324a OR hat, darf mit Blick auf Lehre und Rechtsprechung bejaht werden. Das Beschäftigungsverbot nach Art. 35a Abs. 3 ArG wird als Arbeitsverhinderung im Sinne von Art. 324a OR betrachtet.
5. Keine Ferienkürzung
- Der Arbeitgeber darf die Ferien nicht kürzen, wenn die Arbeitnehmerin während der 14 Wochen Mutterschaftsurlaub von der Arbeit fern geblieben ist (Art. 329b Abs. 3 OR).
Fall 1: Der reaktionsschnelle Arbeitgeber
Frau Muster, dies sich noch in der Probezeit befindet und nie zu Beanstandungen Anlass gibt, teilt ihrem Vorgesetzten mit, dass sie schwanger ist. Tags darauf erhält sie die Kündigung, die mit ungenügender Leistung begründet wird. Ist diese Kündigung rechtmässig?
Lösungsansätze:
- Das Bundesgericht hat festgehalten, dass eine Kündigung wegen ungenügender Leistung nicht missbräuchlich ist (BGE 4A_507/2013).
- Aber: Die Arbeitnehmerin hat die Möglichkeit, gestützt auf das GlG vorzugehen. Die Diskriminierung bezüglich der Entlassung wird vermutet, wenn diese von der betroffenen Arbeitnehmerin glaubhaft gemacht wird (Art. 6 GlG).
- Da der Arbeitgeber die angeblichen Leistungsmängel zuvor nie thematisiert hat, dürfte es der Arbeitnehmerin gelingen, glaubhaft darzulegen, dass die Schwangerschaft der Grund für die Kündigung darstellt und damit diskriminierend ist. Sie kann eine Entschädigung nach Art. 5 Abs. 2 GlG verlangen, die erfahrungsgemäss, zumindest vor der Schlichtungsstelle in Zürich, etwas höher als im Falle von missbräuchlichen Kündigungen ausfällt.
Fall 2: Die schlaue Mitarbeiterin
Frau Muster, seit drei Jahren im Betrieb, erfährt von ihrer Schwangerschaft, teilt diese ihrem Vorgesetzten aber nicht mit. Die Arbeitgeberin kündigt das Arbeitsverhältnis mit Frau Muster aus wirtschaftlichen Gründen, worauf Frau Muster Nichtigkeit der Kündigung geltend macht. Zu Recht?
Lösungsansätze:
- Es besteht vorbehältlich besonderer Umstände keine Pflicht der Mitarbeitenden, eine Schwangerschaft bei der Bewerbung oder während der Probezeit bekannt zu geben (BGE 4A_594/2018). Die Schwangerschaft löst also die Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 lit. c OR grundsätzlich aus.
- Es sind aber Konstellationen denkbar, in denen ein Rechtsmissbrauch der Mitarbeitenden vorliegen könnte. So wurde im Rahmen Rückweisung an die Vorinstanz offengelassen, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn eine gekündigte Arbeitnehmerin in Kenntnis ihrer Schwangerschaft eine Saldovereinbarung unterzeichnet, dabei den Arbeitgeber über ihren Zustand im Ungewissen lässt und sich erst rund zwei Monate später auf den Sperrfristenschutz beruft (BGE 4A_145/2015).
- Auf alle Fälle wäre Kenntnis der Arbeitnehmerin über den Schwangerschaftsschutz aber Voraussetzung für einen Rechtsmissbrauch.
Fall 3: Kündigung nach Wiederaufnahme der Arbeit
Frau Muster nimmt ihre Tätigkeit als Controllerin nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs wieder auf. Die Arbeitgeberin kündigt einen Monat später das Arbeitsverhältnis und begründet die Kündigung mit einer Reorganisation. Wesentliche Teile der Arbeit, die von Frau Muster erledigt worden sind, werden nun von einem Kollegen erledigt. Frau Muster macht eine diskriminierende Kündigung geltend. Zu Recht?
Lösungsansätze:
- Wie bereits erwähnt, genügt nach Art. 6 GlG ein Glaubhaftmachen für das Vorliegen einer diskriminierenden Kündigung.
- Die Praxis z.B. der Paritätischen Schlichtungsbehörde des Kantons Zürich für Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz ist tendenziell streng gegenüber dem Arbeitgeber. Wenn er nicht plausibel nachweisen kann, dass es effektiv einen anderen Grund für die Kündigung als die Mutterschaft gab, wird eine diskriminierende Kündigung relativ schnell angenommen.
- Im vorliegenden Fall liegt keine eigentliche, sondern lediglich eine vorgeschobene Reorganisation vor. Denn die von Frau Muster ehedem ausgeführten Tätigkeiten werden immer noch, nun einfach von einer anderen Person, ausgeführt. Die Chancen von Frau Muster auf eine Entschädigung sind demnach sehr intakt.
- In einem vergleichbaren Fall schlug die Schlichtungsbehörde eine Entschädigung in der Höhe von vier Monatslöhnen vor.
Fall 4: Der Königsweg
Frau Muster ist schwanger. Sie möchte nicht auf den Mutterschaftsurlaub verzichten, aber nach dem Mutterschaftsurlaub ihre Arbeit auch nicht wieder aufnehmen. Sie bespricht die Angelegenheit mit ihrer Vorgesetzten. Welche Möglichkeiten bestehen?
Lösungsansätze:
- Die Arbeitnehmerin hat natürlich die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Befindet sie sich aber noch in der Schwangerschaft und dauert es noch relativ lange, bis Niederkunft und Mutterschaftsurlaub erfolgen, kann ein Meinungsumschwung der Arbeitnehmerin nicht ausgeschlossen werden. Verzichtet sie dann auf die Kündigung, sind dem Arbeitgeber aufgrund des Kündigungsschutzes nach Art. 336c Abs. 1 lit. c OR die Hände gebunden.
- Auch nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs ist eine Kündigung heikel, wenn keine geschlechterneutralen Gründe plausibel vorgebracht werden können.
- Der Königsweg in einer solchen Situation kann eine Aufhebungsvereinbarung sein. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zulässig, wenn dem Verzicht der Arbeitnehmerin auf den Kündigungsschutz eine vergleichbare Gegenleistung gegenüber steht bzw. wenn die Arbeitnehmerin ein vernünftiges Interesse an der Aufhebungsvereinbarung hat.
- Das Interesse der Arbeitnehmerin besteht darin, den Mutterschaftsurlaub noch zu beziehen. Nach dessen Ablauf müsste sie aber ggf. wieder zu 100% arbeiten, was oft nicht mit den Interessen der Arbeitnehmerin in Einklang zu bringen ist. Es entspricht also durchaus ihrem Interesse, mit der Aufhebungsvereinbarung die nach Ablauf der Mutterschaft eigentlich noch zu leistende Kündigungsfrist auszuhebeln.
- Bei der Formulierung einer entsprechenden Aufhebungsvereinbarung empfiehlt es sich, in der Präambel ein paar Worte zum Hintergrund der Vereinbarung zu verlieren (etwa: «Die Arbeitnehmerin beabsichtigt, nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubs ihre Arbeit nicht wieder aufzunehmen. Aus diesem Grund wird auf Wunsch der Arbeitnehmerin folgende Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen…»).
Fall 5: Der Wunsch nach Pensumsreduktion
Frau Muster ist schwanger. Sie möchte nach dem Mutterschaftsurlaub ihr Pensum reduzieren und bespricht die Situation mit ihrem Vorgesetzten. Die Arbeitgeberin ist mit der Reduktion des Pensums einverstanden. Welche Lösung bietet sich an?
Variante: Die Arbeitgeberin ist mit der Pensumsreduktion nicht einverstanden. Hat Frau Muster einen Rechtsanspruch auf Pensumsreduktion nach Wiederaufnahme der Arbeit?
Lösungsansätze:
- Die Reduktion des Pensums kann einvernehmlich durch entsprechende Vereinbarung geregelt werden. Wiederum empfiehlt es sich, in der Präambel die Motivation zum Abschluss einer solchen Reduktion des Pensums darzustellen (etwa: «Die Arbeitnehmerin möchte ihr Pensum nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubs reduzieren. Aus diesem Grund schliessen vereinbaren die Parteien was folgt…»).
- Falls der Arbeitgeber mit einer Reduktion des Pensums nicht einverstanden ist, muss die Arbeitnehmerin ihre Arbeit nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubs grundsätzlich wieder aufnehmen. Sie kann aber selbstverständlich das Arbeitsverhältnis immer noch unter Einhaltung der Kündigungsfristen auf das Ende des Mutterschaftsurlaubs kündigen oder, falls sie diesen Moment verpasst hat, auf einen späteren Termin. Von der Arbeitspflicht ist sie entbunden, wenn sie ein Arztzeugnis vorzulegen vermag.
- Es stellt sich die Frage, ob Frau Muster noch andere Möglichkeiten hat, ob sie z.B. einen Anspruch auf Reduktion des Pensums nach geltendem Recht unter Verweis auf ihre Familienpflichten geltend machen kann. Diese Frage, ob sich in diesen Fällen aus dem Persönlichkeitsschutz (Art. 328 OR) ein Recht von Arbeitnehmenden ableiten lässt, den Beschäftigungsgrad zu reduzieren oder zu erhöhen, wird in der Lehre meist klar verneint, weil die Änderung eines wesentlichen Vertragsinhaltes des Konsenses bedürfe.
- Es kann auch die Frage gestellt werden, ob die Arbeitnehmerin eine Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen darf (wie das teilweise im öffentlichen Personalrecht durch den Arbeitgeber in gewissen Konstellationen geschieht). Soweit ersichtlich, wurde diese Frage noch nie durch ein Gericht entschieden. Die herrschende Lehre dürfte davon ausgehen, dass eine Teilkündigung als Offerte für eine Vertragsänderung verstanden wird.
Fall 6: Böse Überraschung
Eine Regelung der Arbeitgeberin sieht die proportionale Kürzung des Bonus vor, wenn Mitarbeitende pro Kalenderjahr insgesamt unverschuldete Abwesenheiten von mehr als 30 Tagen aufwiesen.
Einer Mutter, die vom achtwöchigen Beschäftigungsverbot nach Art. 35a Abs. 3 ArG betroffen war, wurde der Bonus entsprechend gekürzt. Erfolgte die Kürzung zu Recht?
Lösungsansätze:
- Nein, die Kürzung erfolgte zu Unrecht. Das Arbeitsgericht Zürich stufte dies als geschlechterdiskriminierend ein, soweit dabei das zwingende Arbeitsverbot von Art. 35a Abs. 3 ArG Berücksichtigung fand. Zwar führe auch Militärdienst, der statistisch bei dieser Arbeitgeberin zu insgesamt mehr Abwesenheitstagen führte als Mutterschaft, zwingend zu einer Arbeitsverhinderung, doch resultiere daraus aufgrund der meist geringen Dauer im Regelfall keine Bonuskürzung. Es sei deshalb der Arbeitgeberin zuzumuten, die Abwesenheit infolge Mutterschaftsurlaub mindestens während der Dauer des absoluten Arbeitsverbots anders zu behandeln (Arbeitsgericht ZH, Entscheide 2014 Nr. 22).
Fall 7: Mutter mit Familienpflichten
Eine Direktionsassistentin hatte sich auf eine Stelle bei einer Baufirma beworben. Kurz vor dem Vorstellungsgespräch erhielt sie eine Absage mit der Begründung, als Mutter von kleinen Kindern eigne sie sich nicht für die Stelle.
Ist diese Absage rechtmässig? Welche Ansprüche könnte die Direktionsassistentin gegebenenfalls geltend machen.
Lösungsansätze:
- Nein, die Absage ist nicht rechtmässig. Es findet das Diskriminierungsverbot nach GlG Anwendung, wenn eine Arbeitnehmerin unzulässigerweise nach ihrer Familienplanung gefragt wird und bei Bejahung familiärer Absichten die Stelle nicht erhält.
- Die Direktionsangestellte kann nach Art. 5 Abs. 2 GlG eine Entschädigung geltend machen.
Fall 8: Vater mit Familienpflichten
Eine Bereichsleiterin in einer öffentlichen Verwaltung hatte sich intern um die Stelle als Abteilungsleiterin beworben. Sie erhielt eine Absage , u.a. mit dem Hinweis auf ihre Mehrfachbelastung durch Familienpflichten.
Die Arbeitgeberin bestritt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, da beim Anstellungsentscheid Mehrfachbelastung durch Familienpflichten auch bei Männern gewichtet wurden. Die Bereichsleiterin focht die Nichtbeförderungsentscheid an. Mit Erfolg?
Lösungsansätze:
- Nein, der zuständige Bezirksrat lehnte eine Beschwerde gegen den Nichtbeförderungsentscheid ab. Die nicht geschlechterspezifische Mitberücksichtigung der familiären Situation ist zulässig (Bezirksrat Zürich, Entscheid vom 23.08.2001, GE.2001.00067)
- Arbeitnehmende mit Familienpflichten fallen also nur insoweit unter den Schutz des GlG, als eine Benachteiligung geschlechterspezifisch motiviert ist.
Fall 9: Tragischer Fall
Eine Arbeitnehmerin erleidet eine Fehlgeburt in der 25. Schwangerschaftswoche.
Gilt die gesamte Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 lit. c OR?
Lösungsansätze:
- Ein grosser Teil der Lehre vertritt die Auffassung, dass bei Schwangerschaftsabbrüchen, Fehl- und Totgeburten die für die staatliche Mutterschaftsentschädigung getroffene Lösung auch im Zivilrecht übernommen werden soll. Demnach gilt als Niederkunft jede Geburt und jeder Abort, die nach Ende der 23. Schwangerschaftswoche eintreten (Art. 23 EOV). Das Kantonsgericht Graubünden hat diese Auffassung bestätigt (Kantonsgericht GR, JAR 2015, S. 498).
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