Der vom Bund verhängte und von den Kantonen umgesetzte Schulstopp bringt viele Eltern mit Betreuungspflichten in die Bredouille. Es stellt sich die Frage, ob sie Anspruch auf Lohnfortzahlung haben, wenn sie keine anderweitige Betreuung ihrer schulpflichtigen Kinder haben und der Arbeit deshalb fernbleiben müssen. Der nachfolgende Artikel bietet einen Lösungsansatz.
Haben Betreuungspflichtige Eltern Lohnfortzahlungsanspruch?
Im Kanton Zürich bleiben die Schulen unter Einschluss der Frühlingsferien bis zum 27. April 2020 geschlossen - eine Herausforderung für berufstätige Eltern, die auf keine Betreuungsmöglichkeit zurückgreifen können. Es stellt sich die Frage, ob solche Eltern, die wegen dieser Betreuungspflichten der Arbeit fernbleiben müssen, einen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben. Bereits sind Stimmen zu hören, die einen solchen Anspruch wegen einer expliziten fehlenden gesetzlichen Grundlage apodiktisch verneinen. Doch so klar ist die Antwort auf diese Frage nicht.
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach Art. 324a Abs. 1 OR
Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten. Vorausgesetzt wird demnach, vereinfacht ausgedrückt, ein persönliches Leistungshindernis.
Es gibt aber Ausnahmen, in welchen eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers trotzdem bejaht wird, obwohl prima vista kein persönliches Leistungshindernis vorzuliegen scheint. So haben die Arbeitgeber den Arbeitnehmern mit Familienpflichten gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses die zur Betreuung kranker Kinder erforderliche Zeit bis zu drei Tagen freizugeben (Art. 36 Abs. 3 Arg). Es gilt als anerkannt, dass die erforderliche Pflege und Betreuung eines kranken Kindes durch den Arbeitnehmer zu Hause den in Art. 324a Abs. 1 OR aufgezählten Verhinderungsgründen gleichzusetzen ist, obwohl der Grund für das Nichterbringen der Leistung nicht in der Person des Arbeitnehmers liegt, sondern im Kranken Kind.
Die Betreuung der Kinder als eine gesetzliche Pflicht
Annäherung an subjektives Leistungshindernis
Nun geht es aber nicht um die Betreuung eines kranken Kindes, sondern eines gesunden, das aber aufgrund einer behördlichen Anordnung zu Hause bleiben muss. Die Eltern trifft eine gesetzliche Pflicht zur Pflege und Betreuung ihrer unmündigen Kinder (Art. 276 Abs. 2 i. V.m. Art. 301 ZGB). Die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht wird in Art. 324a Abs. 1 OR explizit als Verhinderungsgrund erwähnt.
Allerdings hat der Gesetzgeber im Zeitpunkt des Erlasses mit Sicherheit nicht an eine Konstellation wie die im Moment herrschende gedacht, sondern z. B. an das Leisten eines Militärdienstes (=gesetzliche Pflicht). Es wäre denn auch stossend, wenn der Arbeitgeber, der ja für das Leisten von Lohn grundsätzlich eine Arbeitsleistung erwarten darf, in jedem Fall zur Kasse gebeten würde, in welchem ein Elternteil mit Berufung auf seine Elternpflichten einfach zu Hause bleibt.
Im Einzelfall kann sich aber unter Berücksichtigung der konkreten Umstände eine andere Betrachtungsweise aufdrängen. Wenn ein Kind aufgrund seines Alters und seiner Unselbständigkeit einer Betreuung bedarf und der Arbeitnehmer kurzfristig keine andere Betreuung sicherstellen kann (z. B. durch Verwandte, Nachbarn etc.), könnte m.E. durchaus argumentiert werden, dass nicht nur eine gesetzliche Pflicht zu erfüllen ist, sondern dass ein subjektives Leistungshindernis vorliegt, das mit den in Art. 324a Abs. 1 OR explizit aufgezählten Leistungshindernissen vergleichbar ist und dementsprechend einen Lohnfortzahlungsanspruch auslöst. Eine Aussage über die Dauer der Lohnfortzahlung ist damit selbstverständlich noch nicht getroffen. Es ist dem Arbeitnehmer zuzumuten, möglichst schnell nach entsprechenden Betreuungsmöglichkeiten Ausschau zu halten, so dass die Dauer der Lohnfortzahlung innerhalb der gesetzlichen Schranken zeitlich limitiert sein dürfte.
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