Der internationale Mitarbeitereinsatz ist komplex und wirft häufige diverse Fragen auf (internationales Privatrecht, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht). Im nachfolgenden Referat werden einige Grundsätze des internationalen Mitarbeitereinsatzes dargestellt.
Begriff “internationaler Mitarbeitereinsatz”
- Keine einheitliche Definition bezüglich “internationaler Mitarbeitereinsatz” in Literatur/Praxis.
- Im Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG) nicht definiert.
- „Entsendungen/Assignments“ = häufige, von der Praxis in sehr allgemeiner Form verwendete Begriffe, die aber über die rechtliche Ausgestaltung des konkreten Auslandeinsatzes noch nichts aussagen. Ausnahme: Sozialversicherungsrecht
- Typische Merkmale
- Erbringung einer Arbeitsleistung in einem Gast-Staat im Interesse eines inländischen Unternehmens.
- Meistens (nicht immer) für eine beschränkte, im Voraus bestimmte Zeit.
- Bestehendes Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Heim-AG bereits vor Auslandeinsatz (nicht zwingend; auch Rekrutierung spezifisch für den Auslandeinsatz ist möglich).
- Drei-Parteien-Verhältnis (Regelungsbedarf für Unterstellungen und Kompetenzen).
- Berührung mit Rechtsordnung ausländischer Staaten.
Arten von internationaler Mitarbeitereinsatz: nach Dauer
Befristeter internationaler Mitarbeitereinsatz
1. Geschäftsreise:
- Höchstens 3 Monate (Achtung: Kein Gesetz, sondern Praxis).
- Keine Veränderung des bestehenden Arbeitsvertrags.
2. Kurz- und mittelfristiger internationaler Mitarbeitereinsatz (Projekt-/Montagearbeiten)
- Höchstens 12 Monate (Praxis).
- Arbeitsvertrag mit Heim-AG bleibt bestehen, wird aber durch eine Zusatzvereinbarung ergänzt (häufig bezeichnet als „Assignment Letter“).
3. Langfristige Entsendung
- I.d.R. maximal 5 Jahre.
- Häufig Vertrag zwischen AN und Gast-AG für die Dauer der Entsendung (kann aber auch anders sein: wenn z.B. ein Arbeitnehmer von einer Gesellschaft an eine Tochtergesellschaft verliehen wird).
- Vertrag zwischen AN und Heim-AG bleibt in der Regel in „irgendeiner Form“ bestehen. Die Natur dieser Beziehung hängt davon ab, ob die Heim-AG Arbeitgeber bleibt oder nicht.
Unbefristeter Mitarbeitereinsatz
- Vollständige Eingliederung in Gast-AG.
- Unbeschränkte Dauer.
- Abbruch der Vertragsbeziehungen zur Heim AG.
Arten von internationalen Mitarbeitereinsätzen: nach Arbeitgeber
Unveränderte Arbeitgeberseite
- Der Arbeitgeber bleibt während der Dauer des Arbeitsverhältnisses unverändert. Vertragspartei für den Arbeitnehmer bleibt einzig die Heim-AG.
- Ohne Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation (der AN arbeitet z.B. für einen Kunden im Ausland, untersteht aber nicht dessen Weisungsrecht; es besteht ein Dienstleistungsvertrag zwischen inländischem Arbeitgeber und ausländischem Kunden).
- Mit Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation. Der Arbeitnehmer untersteht dem Weisungsrecht des ausländischen Dritten, ist aber nicht dessen Angestellter. Zwischen dem inländischen Arbeitgeber und dem ausländischen Dritten besteht eine Art Verleihvertrag.
Veränderte Arbeitgeberseite
- Der ausländische Betrieb wird zum rechtlichen Arbeitgeber, es wird also ein lokaler Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem ausländischen Arbeitgeber abgeschlossen=befristete Eingliederung für die Dauer des Auslandeinsatzes.
- Kein Arbeitsvertrag mehr mit der Heim-AG, aber dennoch häufig vertragliche Beziehung (sogenannte „Rumpfarbeitsverträge, Ruheverträge, Entsendegrundverträge etc.; z.B. mit Wiedereinstellungsversprechen).
Das anwendbare Arbeitsrecht
- Internationaler Mitarbeitereinsatz = Berührung mit zwei oder mehreren Staaten.
- Welches Recht kommt zur Anwendung?
- Diese Fragestellung bezieht sich auf diverse Rechtsgebiete, insbesondere auf:
- das Arbeitsrecht (privates und zwingendes öffentliches Arbeitsrecht)
- die Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen
- das Sozialversicherungsrecht
- das Steuerrecht
- Für die Schweiz massgebend: Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG).
- IPRG unterscheidet nicht nach den verschiedenen Entsendungsformen.
- Art. 121 IPRG regelt das anwendbare Arbeitsrecht.
- Abs. 1: Der Arbeitsvertrag untersteht dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
- Abs. 2: Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in mehreren Staaten, so untersteht der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung oder, wenn eine solche fehlt, der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Arbeitgebers befindet.
- Abs. 3: Die Parteien können den Arbeitsvertrag dem Recht des Staates unterstellen, in dem der Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem der Arbeitgeber seine Niederlassung, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (=Rechtswahlklausel).
- Art. 121 Abs.3 IPRG sieht also eine eingeschränkte Rechtswahl vor.
- Art. 121 Abs. 3 IPRG kommt aber nur dann zur Anwendung, sofern das Arbeitsvertragsverhältnis in der Schweiz auch während des Assignments bestehen bleibt.
- Falls das Verhältnis zwischen heimischem Betrieb und Arbeitnehmer während der Dauer des Auslandeinsatzes nicht mehr als Arbeitsvertrag qualifiziert werden kann (=Arbeitgeberwechsel), kommt
- Art. 116 IPRG zur Anwendung. Art. 116 IPRG sieht freie Rechtswahl vor („Der Vertrag untersteht dem von den Parteien gewählten Recht).
- „Gewöhnlicher Arbeitsort“ nach IPRG Grundsatz:
- tatsächlicher Arbeitsort (Ort des Betriebs)
- Ausnahme bei Entsendungen (gewöhnlicher Arbeitsort bleibt im Inland), falls folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- AV im Inland vor Auslandstätigkeit.
- AV während Auslandtätigkeit mit inländischem Arbeitgeber.
- Wiederbeschäftigungs- und Rückkehrwille.
- Beschränkte Dauer der Auslandstätigkeit.
Der Gerichtsstand (wer beurteilt eine Streitigkeit?)
Lugano-Übereinkommen:
- Art. 5 Ziff. 1
-
-
- Wohnsitz des Beklagten
- Gewöhnlicher Arbeitsort
- Ort der Gast-AG
-
IPRG:
- Art. 115
- Wohnsitz des Beklagten
- Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung
- Zusätzlich für Arbeitnehmer: schweizerische Gerichte am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt.
- Anwendbares Recht und Zuständigkeit/Bespiele
Anwendbares Recht und Zuständigkeit/Beispiele
Unveränderte Arbeitgeberseite
- Gewöhnlicher Arbeitsort in der Schweiz (falls Voraussetzungen für „Entsendung“ erfüllt sind).
- Zuständig: CH-Gerichte.
- Anwendbares Recht: CH-Recht.
- Gewöhnlicher Arbeitsort am ausländischen Arbeitsort (falls Voraussetzungen für „Entsendung“ nicht erfüllt sind).
- Zuständig: Ausländische Gerichte.
- Anwendbares Recht: Ausländisches Recht.
- Aber: Rechtswahl und Wahl der Zuständigkeit möglich, falls der Arbeitgeber Sitz in der Schweiz hat (Art. 121 Abs. 3 IPRG).
Veränderte Arbeitgeberseite
- Abschluss eines lokalen Arbeitsvertrags.
- Gewöhnlicher Arbeitsort am ausländischen Einsatzort.
- Zuständig: Ausländische Gerichte.
- Anwendbar: Ausländisches Recht.
- Beziehung zum ehemaligen inländischen Arbeitgeber: Kein Arbeitsvertrag mehr, sondern „Rumpfvertrag“, „Entsendegrundvertrag“: Es gilt Art. 116 IPRG und damit freie Rechtswahl.
Unsicherheit über anzuwendendes Recht und Zuständigkeit bleibt bestehen
Vorbehalt von zwingend anwendbarem ausländischem Recht
- z.B. Beschäftigungsverbote, öffentlichrechtliche Arbeitszeitvorschriften, Lohnvorschriften, Kündigungsschutz etc.
Ausländisches Recht kann eigene Zuständigkeit und Anwendung eigenen Rechts vorsehen (vgl. für die Schweiz Art. 115 Abs. 3 IPRG).
- Gefahr, dass ein anderes als das erwartete oder vereinbarte Gericht angerufen wird und dieses seine Zuständigkeit bejaht.
- Gefahr, dass dieses Gericht trotz einer allfälligen Rechtswahl das eigene Recht zur Anwendung bringt.
- Zwingende Bestimmungen einer Rechtsordnung, die grundsätzlich nicht anwendbar ist, beanspruchen dennoch Geltung.
Welche Verträge müssen abgeschlossen werden?
Kurzfristige Einsätze ohne Arbeitgeberwechsel
- Ergänzung des bestehenden inländischen Vertrags, z.B. durch eine spezielle Spesenregelung.
Mittelfristige/langfristige Einsätze mit Arbeitgeberwechsel
- Abschluss eines lokalen Arbeitsvertrags mit Arbeitgeber am ausländischen Arbeitsort.
- Abschluss einer Zusatzvereinbarung (Entsendegrundvertrag/Basisvertrag/Ruhevertrag/Rumpfvertrag/As signment Letter) mit dem bisherigen Arbeitgeber.
Mittelfristige/langfristige Einsätze ohne Arbeitgeberwechsel
- „Verleihvertrag“ zwischen Heim-AG und Gast-AG.
- Aufteilung zwischen Arbeitgeberrechten- und pflichten zwischen Heim- und Gast-AG.
- Abschluss einer Zusatzvereinbarung mit dem Arbeitgeber (Assignment Letter); es wird klargestellt, dass Heim-AG Arbeitgeber bleibt.
Assignment Policy
Nicht zwingend notwendig. Häufig bei Gesellschaften, die regelmässig Assignments durchführen.
Enthält die Grundsätze des Assignments (beispielhaft):
- Selektionskriterien
- Arten von Assignments
- Vorbereitung des Assignments
- Gehalt/Entschädigung
- Pensionskasse/Sozialversicherung
- Medizinische Versorgung
- Versicherungen
- Arbeitszeit/Ferien
- Wohnung, Familie etc.
- Rückkehr
- Vorzeitiger Abbruch
Assignment-Letter
Zweck
- Ergänzt den bestehenden Vertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber für die Dauer des Assignments, falls Arbeitgeber unverändert bleibt;
- oder regelt das Rechtsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber für den Fall, dass ein Arbeitsvertrag mit dem lokalen Arbeitgeber abgeschlossen wird;
- oder regelt das Rechtsverhältnis mit einem „neuen“ Arbeitnehmer, der zum Zweck eines Assignments angestellt wird.
- Falls eine Assignment Policy besteht, konkretisiert er diese oder verweist auf diese.
Inhalt (beispielhaft):
- Präambel
- Aufenthalts‑, Arbeits- und allfällige weitere Bewilligungen
- Zustandekommen des Assignments wird vom Erhalt dieser Bedingungen abhängig gemacht.
- Tätigkeitsort
- Dauer des Assignments/Kündigung/Rückberufungsrecht des Arbeitgebers
- Funktion, Unterstellung, „Reporting Line“, Klarstellung, wer Arbeitgeber bleibt.
- Gehalt (wer bezahlt, welche Währung, welche Höhe, Härtezulagen, Spesen etc.)
- Repräsentationskosten
- Steuern
-
-
- Beratung
- Ausgleich
-
Inhalt
- Sozialversicherung, Pensionskasse, Zusatzversicherungen
- Allgemeine Pflichten (Beachtung örtlicher Gepflogenheiten, Verbot Schwarzarbeit etc.)
- Ferien/Heimaturlaub
- Wohnung/Haus
- Umzugskosten, Beteiligung an Kosten, Reiseversicherungen etc.
- Schulgeld
- Rückkehr
-
- Arbeitsplatz/Funktion nach Rückkehr
- Wiederbeschäftigungsgarantie
- Umzugskosten
- Inplacement-/Outplacement-Beratung
- Was soll z.B. bei vorzeitiger Rückkehr geschehen?
-
- Rechtswahl- und Gerichtsstandsklausel
- Schriftform für Ergänzungen
- Integration von Beilagen in den Vertrag
Problemfelder: Vorbereitung des Assignments
Sorgfältige Vorbereitung ist massgebend (gilt für Heim-AG, Gast-AG und Arbeitnehmer gleichermassen).
- Stellen- und Funktionsbeschreibung (allenfalls in Zusammenarbeit mit GastAG)
- Koordination mit der Gast-AG
- Abschluss des Assignment-Vertrags
- Regelung der Rückkehrmodalitäten
- Unterstützung beim Einholen von Bewilligungen und Visa
- Unterstützung bei Abklärung von Steuer- und Versicherungsfragen
- Vermittlung des Kontakts zur Gast-AG
- Allenfalls Vorbereitungsbesuch, Kontakt zu neuem Vorgesetzten
- Bereitstellung von Unterstützung vor Ort (Umzug, Wohnungssuche, Schule, Kinderbetreuung, medizinische Versorgung etc.)
- Kulturelle, politische, sprachliche Aspekte
Problemfelder: Familie
Grundsatzentscheid, ob Familie mitzieht oder nicht.
Wenn kein Familiennachzug:
Regelung, wie oft und wie lange und auf welche Kosten der Arbeitnehmer nach Hause reisen darf (Gast-AG, Heim-AG, Arbeitnehmer, Economy, Business etc.)
- Besuch der Familie im Gastland (wer trägt Kosten?)
Wenn Familie mitzieht:
- Zeitpunkt Umzug (alle damit zusammenhängenden Fragen, z.B. Versicherung von Wertgegenständen)
- Wohnung (alle damit zusammenhängenden Fragen; z.B. möbliert, unmöbliert)
- Schulen, Kinderbetreuung Zivilstand (Einreise unverheirateter Lebenspartner kann zum Problem werden).
Problemfelder: Lohn
- Soll Lohn gemäss Heimatland oder Gastland bemessen werden?
- Soll AN finanziell profitieren oder soll er gleichgestellt bleiben?
- In der Regel gilt: Alle entstehenden Zusatzkosten sollen ersetzt werden, sehr oft wird auch eine gewisse Entschädigung für allfällige Unannehmlichkeiten geleistet.
- Welches Entschädigungsreglement soll gelten?
- Höhe Grundgehalt, Höhe variables Salär?
- Auszahlungsmodalitäten (wann, wie, wo, in welcher Währung?)
- Meist keine Abzüge für niedrigere Lebenskosten.
- Hardship Allowance (=Härtezulage, etwa wegen des Klimas, der politischen Verhältnisse, Gesundheitsrisiko etc.).
- Meist als ein Prozentsatz vom Grundgehalt
- Meist nach oben limitiert
- Zuschlag für höhere Lebenskosten
Problemfelder: Steuern und Sozialversicherung
- Steuerexperten für beide Länder beiziehen.
- Unterstützung beim Ausfüllen der Steuererklärung im Gastland.
- Allenfalls Ausgleichszahlung, falls Steuerbelastung im Gastland höher ausfällt.
- Beizug von Sozialversicherungsexperten/Abklärungen mit den Sozialversicherungsanstalten beider Länder.
- Meistens vorteilhaft, wenn der Arbeitnehmer im Sozialversicherungssystem des Heimatstaates bleiben kann.
- Sozialversicherungsrecht ist öffentliches, zwingendes Recht
- „Will“ im jeweiligen Land angewendet werden.
- Abklären, ob ein Sozialversicherungsabkommen besteht.
Problemfelder: Beendigung des Assignments
- Regelung der ordentlichen wie auch der vorzeitigen Beendigung sehr wichtig (wer trägt die Kosten?).
- Was geschieht nach Rückkehr des Arbeitnehmers?
- Weiterbeschäftigung
- Übergangslösung
- Umschulung
- Abgangsentschädigung
- Outplacement-Beratung
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