Die arbeits­recht­li­che Mah­nung, oft­mals auch als Ver­war­nung, Ver­weis oder Abmah­nung bezeich­net, ist im Obli­ga­tio­nen­recht nicht expli­zit gere­gelt. Sie ist in der Pra­xis jedoch weit­ver­brei­tet, und ihre Zuläs­sig­keit steht aus­ser Frage. Der nach­fol­gende Auf­satz beschäf­tigt sich mit dem not­wen­di­gen Inhalt der Mah­nung, ihrer Bedeu­tung im Zusam­men­hang mit Kün­di­gun­gen des Arbeits­ver­hält­nis­ses sowie ihrer Wirkungsdauer.

Bedeu­tung

Der Arbeit­ge­ber kann Ver­trags­ver­let­zun­gen des Mit­ar­bei­ten­den, das Nicht­be­fol­gen von Anord­nun­gen und Wei­sun­gen und Ver­stösse gegen Ver­hal­tens­pflich­ten durch eine Mah­nung ahn­den. Das wird er vor allem bei gering­fü­gi­ge­ren Ver­stös­sen und dann tun, wenn er an der Wei­ter­be­schäf­ti­gung des Mit­ar­bei­ten­den inter­es­siert ist. Da im pri­va­ten Arbeitsrecht Kün­di­gungs­frei­heit besteht (Art. 335 Abs. 1 OR), könnte der Arbeit­ge­ber das Arbeits­ver­hält­nis auch ordent­lich kün­di­gen, ohne dass er vor­her eine Mah­nung aus­spre­chen muss. Im Falle von frist­lo­sen Kün­di­gun­gen ver­lan­gen die Gerichte indes gerade bei gering­fü­gi­ge­ren Pflicht­ver­let­zun­gen das vor­gän­gige Aus­spre­chen einer Mah­nung, bevor dem Mit­ar­bei­ten­den bei neu­er­li­chem pflicht­wid­ri­gem Ver­hal­ten frist­los gekün­digt wer­den kann.

Mah­nun­gen spie­len aber nicht nur im Zusam­men­hang mit Kün­di­gun­gen eine Rolle, son­dern kön­nen auch im Zusam­men­hang mit Arbeits­zeug­nis­sen, Lohn­er­hö­hun­gen, Beför­de­run­gen etc. bedeut­sam sein.

Form und Inhalt

Da die Mah­nung im Obli­ga­tio­nen­recht nicht gere­gelt ist, ist sie auch nicht an eine beson­dere Form gebun­den. Mah­nun­gen kön­nen also auch münd­lich aus­ge­spro­chen oder per Mail, SMS oder Fax ver­sen­det wer­den. Aller­dings kann sich der Nach­weis des Emp­fangs der Mah­nung im Falle von Mail­nach­rich­ten oder SMS als schwie­rig erwei­sen. Des­halb emp­fiehlt es sich zwecks Ver­mei­dung von Beweis­schwie­rig­kei­ten, die Mah­nung schrift­lich fest­zu­hal­ten und dem Mit­ar­bei­ten­den ent­we­der per Ein­schrei­ben zuzu­stel­len oder ihn den Emp­fang der über­ge­be­nen Mah­nung quit­tie­ren zu las­sen. Durch das schrift­li­che Abfas­sen der Mah­nung las­sen sich über­dies auch Dis­pute über deren Inhalt wenn nicht gänz­lich ver­mei­den, so doch dras­tisch redu­zie­ren. Eine Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung des Mit­ar­bei­ten­den ist dage­gen nicht not­wen­dig, da es sich bei der Mah­nung nicht um ein zwei­sei­ti­ges Rechts­ge­schäft, son­dern um eine ein­sei­tige Ver­hal­tens­an­ord­nung des Arbeit­ge­bers han­delt. Ebenso wenig muss der Mit­ar­bei­tende vor­gän­gig ange­hört wer­den, auch wenn sich eine sol­che Anhö­rung zwecks Erhö­hung der Akzep­tanz durch­aus auf­drän­gen kann.

Eine kor­rekt abge­fasste Mah­nung besitzt stets eine Rüge- und eine Warn­funk­tion. Die Mah­nung erfüllt die Rüge­funk­tion dann, wenn der Arbeit­ge­ber dem Mit­ar­bei­ten­den die Män­gel im Ver­hal­ten und/oder der Leis­tung wenn mög­lich detail­liert (und nicht ledig­lich sum­ma­risch) mit­teilt und diese durch Ver­weis auf bestimmte Vor­komm­nisse auch bele­gen kann. Der Warn­funk­tion wird dann Genüge getan, wenn dem Mit­ar­bei­ten­den unmiss­ver­ständ­lich mit­ge­teilt wird, dass das gerügte Ver­hal­ten nicht mehr tole­riert wird und er bei neu­er­li­chem Fehl­ver­hal­ten mit Kon­se­quen­zen rech­nen muss. Dabei emp­fiehlt es sich, die mög­li­chen Kon­se­quen­zen nicht auf die frist­lose Kün­di­gung zu beschrän­ken, son­dern eine offe­nere For­mu­lie­rung zu wäh­len. Denk­bar wäre etwa: „…für den Wie­der­ho­lungs­fall behal­ten wir uns wei­tere Mass­nah­men bis hin zur frist­lo­sen Ent­las­sung aus­drück­lich vor.“

Mah­nung und Kündigung

Durch das Aus­spre­chen der Mah­nung wird der Arbeit­ge­ber in sei­ner Kün­di­gungs­frei­heit nicht ein­ge­schränkt (Art. 335 Abs. 1 OR). An die­sen Grund­satz ist auch des­halb zu erin­nern, weil sich in Personal­reglementen mit­un­ter Bestim­mun­gen fin­den, die bei Fehl­ver­hal­ten des Mit­ar­bei­ten­den eine erste, eine zweite und womög­lich gar eine dritte Mah­nung vor­se­hen, bevor der Mit­ar­bei­tende mit ernst­haf­ten Kon­se­quen­zen rech­nen muss. Sol­che Bestim­mun­gen kön­nen je nach For­mu­lie­rung als selbst­ge­wählte Ein­schrän­kung der Kün­di­gungs­frei­heit inter­pre­tiert wer­den, wes­halb genau über­legt sein will, ob diese über­haupt in ein Regle­ment auf­ge­nom­men wer­den sollen.

Der Arbeit­ge­ber kann das Arbeits­ver­hält­nis also auch dann ordent­lich kün­di­gen, wenn sich der betrof­fene Mit­ar­bei­tende nach Erhalt der Mah­nung wohl­ver­hält, wobei aller­dings die Gefahr einer all­fäl­li­gen Miss­bräuch­lich­keit der Kün­di­gung im Auge zu behal­ten ist (Art. 336 OR). So ist es zumin­dest denk­bar, dass das durch die Mah­nung beim Mit­ar­bei­ten­den geschaf­fene Ver­trauen, im Falle eines ein­wand­freien Ver­hal­tens nicht mit per­so­nal­recht­li­chen Mass­nah­men rech­nen zu müs­sen, durch die Kün­di­gung ent­täuscht und diese als wider­sprüch­li­ches Ver­hal­ten inter­pre­tiert wird.

Lässt sich der Mit­ar­bei­tende neu­er­li­che Ver­feh­lun­gen zuschul­den kom­men, darf der Arbeit­ge­ber die ange­droh­ten Kon­se­quen­zen grund­sätz­lich in die Tat umset­zen. Nicht ver­langt wird, dass es sich bei den erneu­ten Pflicht­ver­let­zun­gen um sol­che glei­cher Art oder glei­cher Schwere han­deln muss. Das Bun­des­ge­richt hat sodann ent­schie­den, dass selbst dann, wenn in den Mah­nun­gen zum Teil unbe­rech­tigte Vor­würfe erho­ben wer­den, das nicht bedeute, dass die durch das pflicht­wid­rige Ver­hal­ten des Mit­ar­bei­ten­den ver­an­lasste Mah­nung bedeu­tungs­los gewor­den wäre (BGE 4A_101/2012 vom 31.5.2012).

Gerade im Falle von frist­lo­sen Kün­di­gun­gen muss sich der Arbeit­ge­ber aber bewusst sein, dass nicht jedes gering­fü­gige Fehl­ver­hal­ten eine frist­lose Kün­di­gung recht­fer­tigt, selbst wenn zuvor eine Mah­nung aus­ge­spro­chen wor­den ist. Das Gericht ent­schei­det unter Berück­sich­ti­gung aller Umstände, ob ein wich­ti­ger Grund vor­liegt, wel­cher die Wei­ter­füh­rung des Arbeits­ver­hält­nis­ses unzu­mut­bar macht (Art. 337 Abs. 2 OR). Zu die­sen Umstän­den gehört auch die Schwere der neu­er­li­chen Ver­feh­lung. Han­delt es sich ledig­lich um eine leichte Pflicht­ver­let­zung, dürfte sich die frist­lose Kün­di­gung m.E. trotz vor­gän­gi­ger Mah­nung in vie­len Fäl­len als unge­recht­fer­tigt erwei­sen. Immer­hin hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aber fest­ge­hal­ten, dass auch zeit­lich zurück­lie­gende, dem Arbeit­ge­ber bekannte Ver­feh­lun­gen zusam­men mit einem für sich allein nicht aus­rei­chen­den neuen Vor­fall eine frist­lose Kün­di­gung recht­fer­ti­gen kön­nen, soweit der Arbeit­ge­ber auf die frü­here Ver­feh­lung mit einer Mah­nung reagiert hat (BVGE, Urteil A‑897/2012 vom 13.8.2012).

Wir­kungs­dauer

Mah­nun­gen spie­len nicht nur im Zusam­men­hang mit Kün­di­gun­gen eine Rolle. Sie kön­nen auch nega­tive Aus­wir­kun­gen auf im Raume ste­hende Lohn­er­hö­hun­gen, auf Beför­de­run­gen oder die Qua­li­fi­ka­tion im Arbeits­zeug­nis haben. Ein von einer Mah­nung betrof­fe­ner Mit­ar­bei­ten­der ver­fügt ledig­lich über sehr ein­ge­schränkte Mög­lich­kei­ten, sich gegen eine erfolgte Mah­nung zur Wehr zu set­zen. Ins­be­son­dere hat er keine Mög­lich­keit, die Mah­nung als sol­che bei einem Gericht anzu­fech­ten. Für den Mit­ar­bei­ten­den ist es des­halb von Bedeu­tung, ob eine Mah­nung unbe­schränkte Wir­kungs­dauer hat oder ob diese mit fort­schrei­ten­der Zeit­dauer nach und nach ver­blasst. Das Gewerb­li­che Schieds­ge­richt Basel hat – m.E. zu Recht – Letz­te­res ange­nom­men und fest­ge­hal­ten, dass eine Mah­nung in der Regel nicht mehr als ein hal­bes Jahr alt sein sollte (JAR 2012 S. 435).

Sol­chen Faust­re­geln ist den­noch mit Vor­sicht zu begeg­nen. Ent­schei­dend müs­sen die Umstände des Ein­zel­falls blei­ben. So macht es einen Unter­schied, ob sich ein Mit­ar­bei­ten­der vor zwei Jah­ren eine gering­fü­gige Pflicht­ver­let­zung zuschul­den kom­men liess und sich nun erneut nicht den Erwar­tun­gen ent­spre­chend ver­hält oder ob der Mit­ar­bei­tende eben erst eine schwere Pflicht­ver­let­zung und nun bereits wie­derum eine neue began­gen hat. Wenn den­noch eine Faust­re­gel auf­ge­stellt wer­den soll, kann gel­ten: Je schwe­rer der gerügte Män­gel und je jün­ger die Mah­nung ist, desto eher darf auf diese abge­stellt werden.

Mah­nung und Personaldossier

Vom eid­ge­nös­si­schen Daten­schutz­be­auf­trag­tem wird eine regel­mäs­sige Über­prü­fung des Per­so­nal­dos­siers (alle zwei Jahre) emp­foh­len, wobei alle nicht mehr benö­tig­ten Daten ver­nich­tet wer­den soll­ten. Auch die Mah­nung gehört zu den Daten über den Mit­ar­bei­ten­den (Art. 3 lit. a DSG). Die Mah­nung und alle damit zusam­men­hän­gen­den Unter­la­gen sind des­halb zu ver­nich­ten, sobald sie ihre Rele­vanz ver­lo­ren haben (Art. 328b OR i.V.m. Art. 15 Abs. 1 DSG). Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach den kon­kre­ten Umstän­den im Einzelfall.

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