Was ist ein Defer­red Bonus?

Längst besteht die Ver­gü­tung eines Kader­mit­ar­bei­ters i.d.R. nicht mehr nur aus einem Basis­sa­lär, das in zwölf oder drei­zehn Raten aus­be­zahlt wird, son­dern aus zusätz­li­chen Ver­gü­tungs­kom­po­nen­ten, die in der Pra­xis des Wirt­schafts­all­tags kei­ner ein­heit­li­chen Ter­mi­no­lo­gie fol­gend als varia­bles Salär, Bonus oder Gra­ti­fi­ka­tion bezeich­net werden.1 Üblich war (und ist es immer noch) ein zusätz­li­cher jähr­li­cher Cash-Bonus, der (meist) von der im betref­fen­den Jahr erbrach­ten Leis­tung bzw. Ziel­er­rei­chung abhän­gig ist. Als Folge der welt- wei­ten Finanz­krise geriet diese Art der zusätz­li­chen Ent­löh­nung aller­dings in die Kri­tik, weil sie kurz­fris­tige Gewinne hono­riert und den betref­fen­den Arbeit­neh­mer dazu ani­miert, bei sei­ner Geschäfts­tä­tig­keit über­durch­schnitt­li­che Risi­ken einzugehen.2 Die Finanz­markt­auf­sicht (FINMA) reagierte mit einem Rund­schrei­ben vom 21. Okto­ber 2009, in wel­chem sie Min­dest­stan­dards defi­nierte, die bei der Aus­ge­stal­tung und Imple­men­tie­rung von Ver­gü­tungs­sys­te­men durch Finanz­in­sti­tute ein­zu­hal­ten sind.3 In der Folge haben sich neben den kurz­fris­ti­gen Anreiz­pro­gram­men (Short Term Incen­ti­ves) auf einen län­ger­fris­ti­gen Zeit­ho­ri­zont aus­ge­rich­tete Betei­li­gungs­pläne (Long Term Incen­ti­ves) – und längst nicht nur bei bör­sen­ko­tier­ten Akti­en­ge­sell­schaf­ten – eta­bliert, die pri­mär auf eine län­ger­fris­tige Bin­dung des Arbeit­neh­mers an das Unter­neh­men und des­sen Wert­stei­ge­rung abzielen.

Eine Teil­nahme an einem sol­chen Betei­li­gungs­plan setzt i.d.R das Errei­chen gewis­ser Ziele voraus.78 Der Betei­li­gungs­plan kann, muss aber nicht, wei­tere Ziele defi­nie­ren und cha­rak­te­ri­siert sich dadurch, dass dem Arbeit­neh­mer Betei­li­gungs­rechte (z.B. Aktien) oder Anwart­schaf­ten auf Betei­li­gungs­rechte ein­ge­räumt werden,9 der Arbeit­neh­mer die Betei­li­gungs- rechte aber erst nach Ein­tritt von wei­te­ren Bedin­gun­gen defi­ni­tiv erwirbt. Der defi­ni­tive Rechts­er­werb der Ent­schä­di­gungs­kom­po­nente wird also aufgeschoben.11 Es liegt ein Defer­red Bonus vor.

Ein Defer­red Bonus liegt auch dann vor, wenn ein Bonus gespro­chen bzw. zuge­teilt, die Aus­zah­lung des Bonus (oder eines Tei­les davon) aber unab­hän­gig von der Teil­nahme an einem Betei­li­gungs­plan auf­ge­scho­ben und neben dem Ablauf der Auf­schubs­frist evtl. von wei­te­ren Bedin­gun­gen abhän­gig gemacht wird (z.B. unge­kün­dig­tes Arbeits­ver­hält­nis im Zeit­punkt der Auszahlung).

Erschei­nungs­form und Zweck

A. Defer­red Cash Bonus

1. Erschei­nungs­for­men

Der Defer­red Bonus zeigt sich in ver­schie­de­nen Vari­an­ten. Eine davon ist der Defer­red Cash Bonus. Dabei wird ein bestimm­ter Geld­be­trag des zuge­spro­che­nen Bonus nicht aus- bezahlt, son­dern auf­ge­scho­ben. Er wird dem Arbeit­neh­mer z.B. über einen Zeit­raum von drei Jah­ren in Tran­chen nach einem defi­nier­ten Zeit­plan aus­be­zahlt, wobei die Aus­zah­lung häu­fig von Bedin­gun­gen abhän­gig gemacht wird (z.B. unge­kün­dig­tes Arbeits­ver­hält­nis im Zeit­punkt der Aus­zah­lung). Anzu­tref­fen sind auch Sys­teme, in denen der auf­ge­scho­bene Cash Bonus in Cash Awards («Berechtigungen/Anwartschaften» auf Geld) umge­wan­delt wird, wel­che nach einem defi­nier­ten Zeit­plan und unter Erfül­lung zusätz­li­cher Bedin­gun­gen zuge­teilt und aus­be­zahlt werden.

2. Zweck

Bei einem Cash Bonus, der jähr­lich aus­be­zahlt wird (Short Term Incen­tive), besteht die Gefahr, dass der Arbeit­neh­mer sein Ver­hal­ten auf eine kurz­fris­tige Gewinn­ma­xi­mie­rung ausrichtet.13 Die­sem Effekt kann mit einem Auf­schub des Cash Bonus ent­ge­gen gewirkt wer­den. Über­dies ver­mei­det der Arbeit­ge­ber einen zu hohen Bar­geld­ab­fluss, was sich im betref­fen­den Finanz­jahr posi­tiv auf die Bilanz aus­wirkt. Er bin­det den Arbeit­neh­mer über- dies an das Unter­neh­men. Für den Arbeit­neh­mer ist ein sol­cher Defer­red Cash Bonus indes weni­ger attrak­tiv. Er hat ja bereits Ziele erreicht, weil ihm andern­falls kein Bonus zuge­spro­chen wor­den wäre.14 Es erscheint aus Sicht des Arbeit­neh­mers stos­send, wenn die Aus­zah­lung des Bonus trotz bereits erreich­ten Zie­len nicht erfolgt, son­dern in künf­ti­gen Tran­chen aus­ge­rich­tet und von zusätz­li­chen Bedin­gun­gen abhän­gig gemacht wird.

B. Defer­red Stock Units / Defer­red Stocks

1. Erschei­nungs­for­men

Häu­fig kommt es vor, dass ein Teil des zuge­spro­che­nen Bonus nicht aus­be­zahlt, son­dern in Betei­li­gungs­pa­piere inves­tiert wird, von denen der Arbeit­neh­mer erst nach Ablauf einer defi­nier­ten Frist und dem Ein­tritt von wei­te­ren Bedin­gun­gen pro­fi­tiert. Die Erschei­nungs- for­men sind äus­serst viel­fäl­tig. So kön­nen dem Arbeit­neh­mer z.B. Optio­nen zum Erwerb von Aktien des Arbeit­ge­bers ein­ge­räumt wer­den, die erst nach Ablauf einer Sperr­frist aus- geübt wer­den kön­nen. Oder der Arbeit­neh­mer erhält ein Anrecht («Award») auf einen Wert­zu­wachs von Aktien, das jedoch ver­fällt, falls das Arbeits­ver­hält­nis vor Ablauf einer defi­nier­ten Zeit­pe­ri­ode endet («Phan­tom Shares»). Ver­brei­tet sind auch soge­nannte Rest­ric­ted Stock Units («RSU»), Anrechte, nach Ablauf einer defi­nier­ten Frist eine gewisse Anzahl Aktien zu erhal­ten. Wird der Erwerb sol­cher Aktien zusätz­lich oder aus­schliess­lich von Leis­tungs­zie­len abhän­gig gemacht, spricht man von Per­for­mance Stock Units («PSU»). Eben­falls ver­brei­tet ist die Zutei­lung von Aktien, über die der Arbeit­neh­mer erst nach Ablauf einer gewis­sen Sperr­frist ver­fü­gen darf («Defer­red Shares» oder «Defer­red Stocks»).

Die­sen Sys­te­men ist gemein­sam, dass der auf­ge­scho­bene Bonus in Betei­li­gungs­rech­ten be- steht, die erst nach einem gewis­sen Zeit­raum ins Eigen­tum des Begüns­tig­ten über­ge­hen, auch nach die­sem Zeit­punkt noch gesperrt sein kön­nen und deren Aus­zah­lung bzw. Aus­hän­di­gung oft von wei­te­ren Bedin­gun­gen wie dem Errei­chen gewis­ser Ziele abhängt. Das Schick­sal sol­cher Berech­ti­gun­gen im Falle einer Auf­lö­sung des Arbeits­ver­hält­nis­ses ent­schei­det sich oft­mals danach, ob ein Good Lea­ver Event oder ein Bad Lea­ver Event vor- liegt. Als Good Lea­ver Event wird i.d.R. ein Anlass bezeich­net, der ohne Ver­schul­den des Arbeit­neh­mers zur Auf­lö­sung des Arbeits­ver­hält­nis­ses führt (z.B. Kün­di­gung durch den Arbeit­ge­ber wegen Reor­ga­ni­sa­tion, län­ge­rer Arbeits­un­fä­hig­keit etc.), wäh­rend ein Bad Lea­ver Event dann vor­liegt, wenn der Arbeit­neh­mer einen Grund zur Auf­lö­sung des Arbeits­ver­hält­nis­ses gesetzt hat (z.B. Kün­di­gung des Arbeit­neh­mers ohne einen durch den Arbeit­ge­ber gesetz­ten Grund, Kün­di­gung des Arbeit­ge­bers wegen eines vom Arbeit­neh­mer gesetz­ten Grun­des). Im Fall eines Good Lea­ver Events wer­den die bereits geves­te­ten Betei­li­gungs­pa­piere dem Arbeit­neh­mer in der Regel aus­ge­hän­digt, der­weil diese bei Vor­lie­gen eines Bad Lea­ver Events verfallen.

2. Zweck

Defer­red Stocks Units und Defer­red Stocks bin­den den Arbeit­neh­mer wie der Defer­red Cash Bonus an das Unter­neh­men und ver­hin­dern auf­grund des Auf­schubs einen hohen Bar­geld­ab­fluss im betref­fen­den Fis­kal­jahr. Durch die Aus­rich­tung auf Betei­li­gungs­rechte wer­den zudem die Inter­es­sen der Arbeit­neh­mer den­je­ni­gen der Aktio­näre auf Wert­stei­ge­rung ihrer Aktien ange­nä­hert. Die Leis­tung der Arbeit­neh­mer soll sich posi­tiv auf den Akti­en­kurs aus­wir­ken. Durch den Auf­schub des Bonus und die Abhän­gig­keit der Aus­zah­lung von Bedin­gun­gen soll über­dies gewähr­leis­tet wer­den, dass die Leis­tung des Arbeit­neh­mers nicht auf den kurz­fris­ti­gen, son­dern den nach­hal­ti­gen Erfolg aus­ge­rich­tet ist. Als nach­tei­lig kann sich erwei­sen, dass der Akti­en­kurs nicht nur von der Leis­tung der Arbeit­neh­mer, son­dern auch vom all­ge­mei­nen Markt­um­feld abhän­gig ist und bei Kurs­rück­gän­gen der als Incen­tive gedachte Bonus kein sol­cher mehr ist.

C. Kom­bi­na­tion von Defer­red Cash Bonus und Defer­red Stock Units / Defer­red Stocks

Ein Defer­red Cash Bonus kann selbst­ver­ständ­lich auch mit Defer­red Stock Units kom­bi­niert wer­den, indem etwa der auf­ge­scho­bene Bonus zu 50% in Cash Awards und zu 50% in Stock Units inves­tiert wird.

Defer­red Bonus als Lohn oder Gratifikation

Die Qua­li­fi­ka­tion des Bonus als Lohn oder als frei­wil­lige oder ver­ein­barte Gra­ti­fi­ka­tion ent­schei­det über die Beant­wor­tung zahl­rei­cher Rechts­fra­gen. So ist der Lohn z.B. am Ende des Monats aus­zu­rich­ten und darf nur beim Anteil am Geschäfts­er­geb­nis im Sinne von Art. 322a OR längs­tens um sechs Monate hin­aus­ge­scho­ben wer­den (Art. 323 Abs. 1 OR). Eben- falls rele­vant ist Art. 323a OR, wonach nur ein Zehn­tel des fäl­li­gen Lohns zurück­be­hal­ten wer­den darf, sofern dies ver­ab­re­det oder üblich ist. Ein Auf­schub eines Bonus, der Lohn­cha­rak­ter hat, kommt einem Lohn­rück­be­halt gleich. Das Truck­ver­bot nach Art. 323b Abs.3 OR gilt sodann nur für den Lohn, nicht aber für die Gratifikation.20 Art. 339 Abs. 1 OR sieht über­dies vor, dass sämt­li­che For­de­run­gen mit der Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses fäl­lig wer­den, und Art. 339a Abs. 1 OR, dass die Par­teien sich gegen­sei­tig bei Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses alles her­aus­zu­ge­ben haben, was sie für des­sen Dauer von ihr oder von Drit­ten für deren Rech­nung erhal­ten haben (also auch Wert­pa­piere). Von beson­de­rer Bedeu­tung schliess­lich ist die bun­des­ge­richt­li­che Recht­spre­chung zum Bonus im Zusam­men­hang mit der Zuläs­sig­keit bzw. Unzu­läs­sig­keit von Bedin­gun­gen inner­halb der Schran­ken von Art. 27 Abs. 2 ZGB. So darf die Aus­zah­lung einer Gra­ti­fi­ka­tion im Gegen­satz zur Aus­zah­lung eines Lohns z.B. von einem im Zeit­punkt der Aus­zah­lung unge­kün­dig­ten Arbeits­ver­hält­nis abhän­gig gemacht werden.

Es kann nicht genug betont wer­den: Um die Frage zu beant­wor­ten, ob ein Auf­schub eines Bonus (z.B. in Form gesperr­ter Aktien), ob die Zutei­lung von Aktien oder Optio­nen unter dem Aspekt des Truck­ver­bots, ob Ver­fall­klau­seln etc. über­haupt zuläs­sig sind, muss zu- nächst die Rechts­na­tur des Bonus bestimmt wer­den. Es muss unter­sucht wer­den, ob der auf­ge­scho­bene Bonus durch einen Lohn­rück­be­halt finan­ziert wor­den ist oder es sich beim auf­ge­scho­be­nen Bonus um eine Gra­ti­fi­ka­tion han­delt. Ohne Zwei­fel eine Gret­chen­frage, wenn man sich die Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts zu Betei­li­gungs­plä­nen ver­ge­gen­wär­tigt. Es ent­steht der Ein­druck, dass mit der Beant­wor­tung der Frage, ob es sich beim auf­ge­scho­be­nen Bonus um Lohn oder Gra­ti­fi­ka­tion han­delt, alle Rechts­fra­gen gelöst seien. So wird z.B. die Zuläs­sig­keit gesperr­ter Aktien, der Auf­schub der Fäl­lig­keit von For­de­run­gen über das Ende des Arbeits­ver­hält­nis­ses hin­aus und die Zuläs­sig­keit von Ver­fall- und Claw­back-Klau­seln bejaht, falls der auf­ge­scho­bene Bonus als Gra­ti­fi­ka­tion qua­li­fi­ziert wird.

Aus­ge­wählte Einzelfragen

Defer­red Bonus und Truckverbot

1. Anwend­bar­keit des Truck­ver­bots auf den Defer­red Cash Bonus

Nach Art. 323b sind Abre­den des Lohns im Inter­esse des Arbeit­ge­bers nich­tig. Nach ei- nem Teil der Lehre sind gar alle ande­ren Abre­den zwi­schen den Par­teien, wel­che die freie Ver­füg­bar­keit des Lohns ver­hin­dern, vom Truck­ver­bot erfasst. Wird der Bonus auf­ge­scho­ben, wird dem Arbeit­neh­mer ver­un­mög­licht, frei und nach eige­nem Inter­esse über die auf­ge­scho­bene Ver­gü­tung zu verfügen.

Nach dem Wort­laut der Bestim­mung ist aller­dings nur der Lohn, nicht aber die Gra­ti­fi­ka­tion, vom Truck­ver­bot erfasst. Eine Ver­let­zung des Truck­ver­bots kann also nur dann vor- lie­gen, wenn es sich beim auf­ge­scho­be­nen Bonus um Lohn handelt.

Das Truck­ver­bot fin­det keine Anwen­dung, wenn es nicht im ein­zi­gen oder über­wie­gen­den Inter­esse des Arbeit­ge­bers abge­schlos­sen ist. Beim Defer­red Cash Bonus steht m.E. die Bin­dung des Arbeit­neh­mers an die Unter­neh­mung im Vor­der­grund. Han­delt es sich beim Defer­red Cash Bonus also um Lohn, liegt ein Ver­stoss gegen das Truck­ver­bot vor; die ent­spre­chende Abrede erweist sich als nich­tig. Han­delt es sich beim Defer­red Cash Bonus dage­gen um eine Gra­ti­fi­ka­tion, liegt keine Ver­let­zung des Truck­ver­bots vor.

2. Anwend­bar­keit des Truck­ver­bots auf Defer­red Stock Units / Defer­red Stocks

Zuwei­len wird die Mei­nung ver­tre­ten, dass das Truck­ver­bot nur auf Ent­schä­di­gun­gen anwend­bar ist, wel­che aus­drück­lich in bar gewährt wur­den und nicht auf Betei­li­gungs­pa­piere. Die­ser Ansicht kann m.E. nicht gefolgt wer­den. Rich­tig ist, dass ein Lohn oder ein Teil des Lohns auch als Natu­ral­lohn gewährt wer­den darf. Wird ein Teil des Lohns als Natu­ral­lohn gewährt, liegt damit, iso­liert betrach­tet, noch keine Ver­let­zung des Truck­ver­bots vor. Wird aber die­ser Natu­ral­lohn im Inter­esse des Arbeit­ge­bers ver­wen­det, fällt er unter das Truck­ver­bot. Das ergibt sich aus dem Geset­zes­text (Art. 323b Abs. 3 OR). Vom Truck­ver­bot erfasst sind also Abre­den über die Ver­wen­dung des Lohns, und zwar auch des Natu­ral­lohns, im allei­ni­gen oder über­wie­gen­den Inter­esse des Arbeitgebers.

Des­halb sind Abre­den über Sperr­fris­ten- und Ver­fall­re­ge­lun­gen bei Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gun­gen unzu­läs­sig (Aktien oder Optio­nen), die Lohn­cha­rak­ter haben. Das Truck­ver­bot wird ver­letzt, wenn die bei Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses noch gesperr­ten und wegen der Ver­trags­auf­lö­sung ver­fal­len­den Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gun­gen (Aktien, Optio­nen etc.) durch einen Lohn­rück­be­halt finan­ziert wor­den sind.

Zuläs­sig ist eine Über­tra­gung von Aktien oder Optio­nen (Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gun­gen) an den Arbeit­neh­mer dage­gen dann, wenn die Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gung eine Gra­ti­fi­ka­tion (Art. 322d OR) darstellt.

Ob die Abrede im ein­zi­gen oder über­wie­gen­den Inter­esse des Arbeit­ge­bers geschlos­sen wurde, muss im Ein­zel­fall geprüft wer­den. Der Arbeit­neh­mer kann durch Betei­li­gungs- rechte zwar vom Kurs­ge­winn pro­fi­tie­ren, ist aber wegen der Ver­fall­klau­seln von einem tota­len Kapi­tal­ver­lust, de facto vom Ver­lust sei­nes auf­ge­scho­be­nen Lohns, nicht geschützt. Die LTIP sind über­dies auf eine lang­fris­tige Bin­dung des Arbeit­neh­mers an die Unter­neh­mung aus­ge­legt, was zumin­dest ten­den­zi­ell dafür spricht, dass die Abrede im über­wie­gen- den Inter­esse des Arbeit­ge­bers abge­schlos­sen wurde und damit nich­tig ist (soweit es sich um auf­ge­scho­be­nen Lohn und nicht um eine auf­ge­scho­bene Gra­ti­fi­ka­tion handelt).

Truck­ver­bot gilt auch für dem Arbeit­ge­ber nahe­ste­hende Unternehmen

Nich­tig sind nicht nur die unzu­läs­si­gen arbeits­ver­trag­li­chen Abre­den, son­dern auch die da- ran gekop­pel­ten Rechts­ge­schäfte. Unzu­läs­sig sind über­dies nicht nur gegen das Truck­ver­bot ver­stos­sende Abre­den mit dem Arbeit­ge­ber, son­dern auch mit dem Arbeit­ge­ber nahe- ste­hen­den Unter­neh­men. Dar­aus folgt, dass es für die Frage nach der Anwend­bar­keit des Truck­ver­bots nicht dar­auf ankom­men kann, ob der Arbeit­neh­mer an der Arbeit­ge­ber­ge­sell­schaft selbst, an einer mit die­ser im glei­chen Kon­zern ver­bun­de­nen ande­ren, an einer eigens für die Betei­li­gung geschaf­fe­nen oder an der Mut­ter­ge­sell­schaft betei­ligt wurde. Steht die Arbeit­ge­be­rin zu 100% im Besitz einer Mut­ter­ge­sell­schaft, bleibt für eine Betei­li­gung an die­ser selbst kein Raum und drängt sich ein Modell unter Ver­gabe von Anrech­ten an der Mut­ter­ge­sell­schaft auf. Dass auch bei einer der­ar­ti­gen Kon­stel­la­tion die zwin­gen­den Vor­schrif­ten des Arbeits­rechts (Art. 361 f. OR) nicht unter­lau­fen wer­den dür­fen, ver­steht sich von selbst.

Das Truck­ver­bot als Spiel­ver­der­ber des beding­ten Lohnes

Gemäss stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts kann ein Bonus, der sich als Lohn ent­larvt, nicht von der Bedin­gung eines im Zeit­punkt der Zuspre­chung oder der Aus­zah­lung unge­kün­dig­ten Arbeits­ver­hält­nis­ses abhän­gig gemacht wer­den. Dies will aus ver­schie­de­nen Grün­den nicht ohne wei­te­res ein­leuch­ten. So kön­nen sich Par­teien, ohne Kün­di­gungs- fris­ten befol­gen zu müs­sen, jeder­zeit gül­tig auf eine Lohn­kür­zung eini­gen. Es müsste des- halb grund­sätz­lich auch mög­lich sein, dass sich die Par­teien bereits zum Zeit­punkt der Bonus­ab­rede (des Loh­nes) dar­auf eini­gen, dass eine Lohn­kür­zung ein­tritt, wenn gewisse Bedin­gun­gen erfüllt sind. Nach der bun­des­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung steht Art. 341 OR einem nach­träg­li­chen Ver­zicht auf Lohn nicht ent­ge­gen, da Art. 322 OR keine zwin­gende Bestim­mung ist. Aller­dings ent­nimmt ein Teil der Lehre der bun­des­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung zum Bonus mit Lohn­cha­rak­ter, dass in sol­chen Fäl­len das Ver­zichts­ver­bot gemäss Art. 341 OR auch auf Ver­gü­tun­gen mit Lohn­cha­rak­ter anwend­bar sei.36 Das Bun­des­ge­richt betont sodann, dass grosse Zurück­hal­tung gegen­über der Beja­hung eines Ver­zichts auf arbeits­recht­li­che Ansprü­che gebo­ten ist. Ein sol­cher ist nur aus­nahms­weise zu bejahen.

Es kann indes offen­blei­ben, ob eine Ver­falls­ab­rede für Betei­li­gungs­pa­piere, die durch einen Lohn­rück­be­halt finan­ziert wor­den sind, zuläs­sig ist. Denn das Truck­ver­bot schiebt sol­chen Gedan­ken­spie­len einen Rie­gel. Sind der auf­ge­scho­bene Cash Bonus oder die auf­ge­scho­be­nen Betei­li­gungs­rechte durch einen Lohn­rück­be­halt finan­ziert wor­den und wurde die Ab- rede im ein­zi­gen oder über­wie­gen­den Inter­esse des Arbeit­ge­bers abge­schlos­sen, ver­stösst die ent­spre­chende Abrede gegen das Truck­ver­bot und erweist sich als nich­tig, und zwar selbst dann, wenn man eine Ver­fall­klau­sel für Lohn als sol­che für zuläs­sig hal­ten sollte.

B. Defer­red Bonus und Zuläs­sig­keit von Ver­fall­klau­seln in Beteiligungsplänen

1. Grund­sätz­li­che Zuläs­sig­keit von Ver­fall­klau­seln bei Gra­ti­fi­ka­ti­ons­cha­rak­ter des Defer­red Bonus

Das Bun­des­ge­richt hat in BGE 131 III 615 im Zusam­men­hang mit der Beur­tei­lung eines Truck­ver­bots fest­ge­hal­ten, dass Art. 323b Abs. 3 OR nur den Lohn schütze, nicht aber andere mög­li­che Zuwen­dun­gen wie eine Gra­ti­fi­ka­tion, wes­halb die getrof­fene Sperr­fris­ten- und Ver­fall­re­ge­lung zuläs­sig sei. Bereits in BGE 130 III 495 hatte das Bun­des­ge­richt ent­schie­den, dass eine Ver­fü­gungs­sperre von fünf Jah­ren keine über­mäs­sige Bin­dung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ZGB bewirke und nicht sit­ten­wid­rig sei.39 Erweist sich der Bonus als Gra­ti­fi­ka­tion und dau­ert der Auf­schub nicht län­ger als fünf Jahre, scheint der Ver­fall von Betei­li­gungs­rech­ten bei Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses grund­sätz­lich zuläs­sig zu sein, da die Aus­zah­lung einer Gra­ti­fi­ka­tion von Bedin­gun­gen abhän­gig gemacht wer­den kann. Nichts ande­res dürfte für einen Defer­red Cash Bonus gel­ten, soweit es sich bei die­sem um eine Gra­ti­fi­ka­tion handelt.

2. Muta­tion einer Gra­ti­fi­ka­tion zu Lohn?

Der Defer­red Bonus cha­rak­te­ri­siert sich dadurch, dass der zuge­spro­chene Bonus nicht aus- bezahlt, son­dern auf­ge­scho­ben und zu einem spä­te­ren Zeit­punkt aus­ge­rich­tet wird. Es ver­streicht also Zeit zwi­schen Zuspruch und Aus­zah­lung des Bonus. Die Frage, ob der Bonus als Lohn oder als Gra­ti­fi­ka­tion zu beur­tei­len ist, dürfte – aus einer zeit­li­chen Per­spek­tive betrach­tet – in vie­len Fäl­len mit Blick auf den Zeit­punkt des Zuspruchs des Bonus ent­schie­den wer­den; der Arbeit­neh­mer hat seine Ziele erreicht und erhält des­halb einen Bonus, des­sen Aus­rich­tung auf­ge­scho­ben wird. Erweist sich die­ser Bonus nach den Beur­tei­lungs­kri­te­rien des Bun­des­ge­richts als Gra­ti­fi­ka­tion, sind Ver­fall­klau­seln nach der oben zitier­ten Recht­spre­chung zulässig.

Ein­mal Gra­ti­fi­ka­tion, immer Gra­ti­fi­ka­tion scheint dem­nach die Losung zu sein, ein durch- aus nach­voll­zieh­ba­rer Ansatz. Aller­dings besteht die Schwä­che die­ser Betrach­tungs­weise darin, dass sie dem Zeit­raum zwi­schen Zuspruch des Bonus und des­sen Aus­zah­lung und den zwi­schen den Par­teien ver­ein­bar­ten Bedin­gun­gen gege­be­nen­falls zu wenig Beach­tung schenkt. So sind durch­aus Kon­stel­la­tio­nen denk­bar, in wel­chen die Aus­zah­lung des auf­ge­scho­be­nen Bonus neben einem unge­kün­dig­ten Arbeits­ver­hält­nis vom Errei­chen zusätz­li­cher, objek­tiv mess­ba­rer Ziele abhän­gig gemacht wird. Damit stellt sich die Frage, ob ein im Zeit­punkt des Zuspruchs ursprüng­lich als Gra­ti­fi­ka­tion qua­li­fi­zier­ter Bonus wäh­rend des Auf­schubs infolge objek­ti­ver Mess­bar­keit der nach erfolg­tem Zuspruch zu errei­chen- den Ziele nach­träg­lich zu Lohn mutie­ren kann. Argu­mente dafür gebe es. Erreicht ein Arbeit­neh­mer wäh­rend der Dauer des Auf­schubs des Bonus die ihm gesetz­ten objek­tiv mess­ba­ren Ziele, ist nicht ein­zu­se­hen, wes­halb er im Ver­hält­nis zu dem­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter, des­sen Bonus bereits beim Zuspruch als Lohn qua­li­fi­ziert wurde, schlech­ter gestellt wer­den sollte, zumal er sei­nen Bonus ja «dop­pelt ver­dient» hat, ein­mal durch Ziel­er­rei­chung als Vor­aus­set­zung des Zuspruchs und danach durch Ziel­er­rei­chung nach erfolg­tem Zuspruch. Der Zuspruch des Bonus erfolgte über­dies als eine Abgel­tung für bereits erbrachte Leis­tun­gen, wes­halb es gene­rell als zumin­dest frag­wür­dig erscheint, die Aus­zah­lung des Bonus von wei­te­ren Bedin­gun­gen abhän­gig zu machen. Die­sem Argu­ment kann aller­dings ent­ge­gen gehal­ten wer­den, dass eine Gra­ti­fi­ka­tion auch dann noch vor­liegt, wenn die Berech­nung zwar nach fes­ten Kri­te­rien erfolgt, die Aus­rich­tung als sol­che aber im Ermes­sen des Arbeit­ge­bers ver­bleibt. Ob das tat­säch­lich der Fall ist, wird nur durch Aus­le­gung des gesam­ten Ver­gü­tungs­sys­tems (Arbeits­ver­träge, Betei­li­gungs­pläne etc.) zu eru­ie­ren sein. Sollte die ursprüng­li­che Gra­ti­fi­ka­tion nach­träg­lich tat­säch­lich zu Lohn mutie­ren, wären Abre­den über Sperr­fris­ten- und Ver­fall­re­ge­lun­gen unzulässig.

3. Ver­fall von bereits geves­te­ten Beteiligungsrechten

a) Unkla­rer Begriff des Vestings

Der in Betei­li­gungs­plä­nen immer wie­der anzu­tref­fende Begriff des Ves­t­ings bedeu­tet in direk­ter Über­set­zung «Ver­lei­hung» oder «Über­tra­gung». Zuwei­len wird die Ves­t­ing-Klau­sel als eine Par­tei­ab­rede bezeich­net, wonach der Anspruch des Arbeit­neh­mers auf Erwerb von Betei­li­gungs­rech­ten wäh­rend einer bestimm­ten Frist an die Pote­sta­tiv­be­din­gung geknüpft ist, dass das Arbeits­ver­hält­nis bis zum Ablauf die­ser Frist wei­ter besteht. Das Eigen­tum an den dem Mit­ar­bei­ter zuge­teil­ten Betei­li­gungs­rech­ten gehe erst mit dem Ein­tritt der ver­ein­bar­ten Bedin­gung auf den Mit­ar­bei­ter über.

Nun ist aber das Ves­t­ing nicht gleich­zu­set­zen mit Aus­zah­lung bzw. Aus­hän­di­gung von Betei­li­gungs­rech­ten. Viele Pläne sehen vor, dass bereits geves­tete Betei­li­gungs­rechte dem Arbeit­neh­mer nach einem «Dis­tri­bu­tion Sche­dule» oder «Con­tri­bu­tion Sche­dule» – also zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nach erfolg­tem Ves­t­ing – aus­ge­hän­digt wer­den, wes­halb sich die Frage nach dem Zeit­punkt der Eigen­tums­über­tra­gung im Sinne der sachen­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen stellt. Je nach kon­kre­ter Aus­ge­stal­tung des Plans ist es durch­aus mög­lich, dass das Eigen­tum an den Betei­li­gungs­rech­ten tat­säch­lich bereits mit dem Ves­t­ing auf den Arbeit­neh­mer über­tra­gen wird (z.B. sei­nem Depot gut­ge­schrie­ben wird), aber eben auch, dass die Eigen­tums­über­tra­gung erst zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nach bereits erfolg­tem Ves­t­ing statt­fin­det. In die­sem Fall befin­det sich das recht­li­che Schick­sal selbst geves­te­ter Betei­li­gungs­rechte noch in der Schwebe – etwa dann, wenn ein Betei­li­gungs­plan den Ver­fall der Betei­li­gungs­rechte bei Vor­lie­gen eines Bad Lea­ver Events nicht nur für nicht geves­tete, son­dern auch für bereits geves­tete Betei­li­gungs­rechte vorsieht.

b)  Zuläs­sig­keit des Ver­falls bereits geves­te­ter Beteiligungsrechte?

Vor­aus­zu­schi­cken ist, dass sich die Frage nach der Zuläs­sig­keit des Ver­falls bereits geves­te­ter Betei­li­gungs­rechte nur bei der Qua­li­fi­ka­tion eines Bonus als Gra­ti­fi­ka­tion (und nicht als Lohn) stellt, da Ver­falls­ab­re­den bei Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gun­gen unzu­läs­sig sind, wenn diese Lohn­cha­rak­ter haben.47

Es mag stos­send erschei­nen, wenn selbst bereits geves­tete Betei­li­gungs­rechte noch ver­fal­len kön­nen. Den­noch muss mit Blick auf die bun­des­ge­richt­li­che Recht­spre­chung zur Zuläs­sig­keit von Claw­back-Klau­seln davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Ver­fall­ab­rede bereits geves­te­ter Betei­li­gungs­rechte grund­sätz­lich zuläs­sig sein dürfte.

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