Was ist ein Deferred Bonus?
Längst besteht die Vergütung eines Kadermitarbeiters i.d.R. nicht mehr nur aus einem Basissalär, das in zwölf oder dreizehn Raten ausbezahlt wird, sondern aus zusätzlichen Vergütungskomponenten, die in der Praxis des Wirtschaftsalltags keiner einheitlichen Terminologie folgend als variables Salär, Bonus oder Gratifikation bezeichnet werden.1 Üblich war (und ist es immer noch) ein zusätzlicher jährlicher Cash-Bonus, der (meist) von der im betreffenden Jahr erbrachten Leistung bzw. Zielerreichung abhängig ist. Als Folge der welt- weiten Finanzkrise geriet diese Art der zusätzlichen Entlöhnung allerdings in die Kritik, weil sie kurzfristige Gewinne honoriert und den betreffenden Arbeitnehmer dazu animiert, bei seiner Geschäftstätigkeit überdurchschnittliche Risiken einzugehen.2 Die Finanzmarktaufsicht (FINMA) reagierte mit einem Rundschreiben vom 21. Oktober 2009, in welchem sie Mindeststandards definierte, die bei der Ausgestaltung und Implementierung von Vergütungssystemen durch Finanzinstitute einzuhalten sind.3 In der Folge haben sich neben den kurzfristigen Anreizprogrammen (Short Term Incentives) auf einen längerfristigen Zeithorizont ausgerichtete Beteiligungspläne (Long Term Incentives) – und längst nicht nur bei börsenkotierten Aktiengesellschaften – etabliert, die primär auf eine längerfristige Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen und dessen Wertsteigerung abzielen.
Eine Teilnahme an einem solchen Beteiligungsplan setzt i.d.R das Erreichen gewisser Ziele voraus.78 Der Beteiligungsplan kann, muss aber nicht, weitere Ziele definieren und charakterisiert sich dadurch, dass dem Arbeitnehmer Beteiligungsrechte (z.B. Aktien) oder Anwartschaften auf Beteiligungsrechte eingeräumt werden,9 der Arbeitnehmer die Beteiligungs- rechte aber erst nach Eintritt von weiteren Bedingungen definitiv erwirbt. Der definitive Rechtserwerb der Entschädigungskomponente wird also aufgeschoben.11 Es liegt ein Deferred Bonus vor.
Ein Deferred Bonus liegt auch dann vor, wenn ein Bonus gesprochen bzw. zugeteilt, die Auszahlung des Bonus (oder eines Teiles davon) aber unabhängig von der Teilnahme an einem Beteiligungsplan aufgeschoben und neben dem Ablauf der Aufschubsfrist evtl. von weiteren Bedingungen abhängig gemacht wird (z.B. ungekündigtes Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung).
Erscheinungsform und Zweck
A. Deferred Cash Bonus
1. Erscheinungsformen
Der Deferred Bonus zeigt sich in verschiedenen Varianten. Eine davon ist der Deferred Cash Bonus. Dabei wird ein bestimmter Geldbetrag des zugesprochenen Bonus nicht aus- bezahlt, sondern aufgeschoben. Er wird dem Arbeitnehmer z.B. über einen Zeitraum von drei Jahren in Tranchen nach einem definierten Zeitplan ausbezahlt, wobei die Auszahlung häufig von Bedingungen abhängig gemacht wird (z.B. ungekündigtes Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung). Anzutreffen sind auch Systeme, in denen der aufgeschobene Cash Bonus in Cash Awards («Berechtigungen/Anwartschaften» auf Geld) umgewandelt wird, welche nach einem definierten Zeitplan und unter Erfüllung zusätzlicher Bedingungen zugeteilt und ausbezahlt werden.
2. Zweck
Bei einem Cash Bonus, der jährlich ausbezahlt wird (Short Term Incentive), besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten auf eine kurzfristige Gewinnmaximierung ausrichtet.13 Diesem Effekt kann mit einem Aufschub des Cash Bonus entgegen gewirkt werden. Überdies vermeidet der Arbeitgeber einen zu hohen Bargeldabfluss, was sich im betreffenden Finanzjahr positiv auf die Bilanz auswirkt. Er bindet den Arbeitnehmer über- dies an das Unternehmen. Für den Arbeitnehmer ist ein solcher Deferred Cash Bonus indes weniger attraktiv. Er hat ja bereits Ziele erreicht, weil ihm andernfalls kein Bonus zugesprochen worden wäre.14 Es erscheint aus Sicht des Arbeitnehmers stossend, wenn die Auszahlung des Bonus trotz bereits erreichten Zielen nicht erfolgt, sondern in künftigen Tranchen ausgerichtet und von zusätzlichen Bedingungen abhängig gemacht wird.
B. Deferred Stock Units / Deferred Stocks
1. Erscheinungsformen
Häufig kommt es vor, dass ein Teil des zugesprochenen Bonus nicht ausbezahlt, sondern in Beteiligungspapiere investiert wird, von denen der Arbeitnehmer erst nach Ablauf einer definierten Frist und dem Eintritt von weiteren Bedingungen profitiert. Die Erscheinungs- formen sind äusserst vielfältig. So können dem Arbeitnehmer z.B. Optionen zum Erwerb von Aktien des Arbeitgebers eingeräumt werden, die erst nach Ablauf einer Sperrfrist aus- geübt werden können. Oder der Arbeitnehmer erhält ein Anrecht («Award») auf einen Wertzuwachs von Aktien, das jedoch verfällt, falls das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer definierten Zeitperiode endet («Phantom Shares»). Verbreitet sind auch sogenannte Restricted Stock Units («RSU»), Anrechte, nach Ablauf einer definierten Frist eine gewisse Anzahl Aktien zu erhalten. Wird der Erwerb solcher Aktien zusätzlich oder ausschliesslich von Leistungszielen abhängig gemacht, spricht man von Performance Stock Units («PSU»). Ebenfalls verbreitet ist die Zuteilung von Aktien, über die der Arbeitnehmer erst nach Ablauf einer gewissen Sperrfrist verfügen darf («Deferred Shares» oder «Deferred Stocks»).
Diesen Systemen ist gemeinsam, dass der aufgeschobene Bonus in Beteiligungsrechten be- steht, die erst nach einem gewissen Zeitraum ins Eigentum des Begünstigten übergehen, auch nach diesem Zeitpunkt noch gesperrt sein können und deren Auszahlung bzw. Aushändigung oft von weiteren Bedingungen wie dem Erreichen gewisser Ziele abhängt. Das Schicksal solcher Berechtigungen im Falle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses entscheidet sich oftmals danach, ob ein Good Leaver Event oder ein Bad Leaver Event vor- liegt. Als Good Leaver Event wird i.d.R. ein Anlass bezeichnet, der ohne Verschulden des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führt (z.B. Kündigung durch den Arbeitgeber wegen Reorganisation, längerer Arbeitsunfähigkeit etc.), während ein Bad Leaver Event dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer einen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat (z.B. Kündigung des Arbeitnehmers ohne einen durch den Arbeitgeber gesetzten Grund, Kündigung des Arbeitgebers wegen eines vom Arbeitnehmer gesetzten Grundes). Im Fall eines Good Leaver Events werden die bereits gevesteten Beteiligungspapiere dem Arbeitnehmer in der Regel ausgehändigt, derweil diese bei Vorliegen eines Bad Leaver Events verfallen.
2. Zweck
Deferred Stocks Units und Deferred Stocks binden den Arbeitnehmer wie der Deferred Cash Bonus an das Unternehmen und verhindern aufgrund des Aufschubs einen hohen Bargeldabfluss im betreffenden Fiskaljahr. Durch die Ausrichtung auf Beteiligungsrechte werden zudem die Interessen der Arbeitnehmer denjenigen der Aktionäre auf Wertsteigerung ihrer Aktien angenähert. Die Leistung der Arbeitnehmer soll sich positiv auf den Aktienkurs auswirken. Durch den Aufschub des Bonus und die Abhängigkeit der Auszahlung von Bedingungen soll überdies gewährleistet werden, dass die Leistung des Arbeitnehmers nicht auf den kurzfristigen, sondern den nachhaltigen Erfolg ausgerichtet ist. Als nachteilig kann sich erweisen, dass der Aktienkurs nicht nur von der Leistung der Arbeitnehmer, sondern auch vom allgemeinen Marktumfeld abhängig ist und bei Kursrückgängen der als Incentive gedachte Bonus kein solcher mehr ist.
C. Kombination von Deferred Cash Bonus und Deferred Stock Units / Deferred Stocks
Ein Deferred Cash Bonus kann selbstverständlich auch mit Deferred Stock Units kombiniert werden, indem etwa der aufgeschobene Bonus zu 50% in Cash Awards und zu 50% in Stock Units investiert wird.
Deferred Bonus als Lohn oder Gratifikation
Die Qualifikation des Bonus als Lohn oder als freiwillige oder vereinbarte Gratifikation entscheidet über die Beantwortung zahlreicher Rechtsfragen. So ist der Lohn z.B. am Ende des Monats auszurichten und darf nur beim Anteil am Geschäftsergebnis im Sinne von Art. 322a OR längstens um sechs Monate hinausgeschoben werden (Art. 323 Abs. 1 OR). Eben- falls relevant ist Art. 323a OR, wonach nur ein Zehntel des fälligen Lohns zurückbehalten werden darf, sofern dies verabredet oder üblich ist. Ein Aufschub eines Bonus, der Lohncharakter hat, kommt einem Lohnrückbehalt gleich. Das Truckverbot nach Art. 323b Abs.3 OR gilt sodann nur für den Lohn, nicht aber für die Gratifikation.20 Art. 339 Abs. 1 OR sieht überdies vor, dass sämtliche Forderungen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden, und Art. 339a Abs. 1 OR, dass die Parteien sich gegenseitig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses alles herauszugeben haben, was sie für dessen Dauer von ihr oder von Dritten für deren Rechnung erhalten haben (also auch Wertpapiere). Von besonderer Bedeutung schliesslich ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Bonus im Zusammenhang mit der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Bedingungen innerhalb der Schranken von Art. 27 Abs. 2 ZGB. So darf die Auszahlung einer Gratifikation im Gegensatz zur Auszahlung eines Lohns z.B. von einem im Zeitpunkt der Auszahlung ungekündigten Arbeitsverhältnis abhängig gemacht werden.
Es kann nicht genug betont werden: Um die Frage zu beantworten, ob ein Aufschub eines Bonus (z.B. in Form gesperrter Aktien), ob die Zuteilung von Aktien oder Optionen unter dem Aspekt des Truckverbots, ob Verfallklauseln etc. überhaupt zulässig sind, muss zu- nächst die Rechtsnatur des Bonus bestimmt werden. Es muss untersucht werden, ob der aufgeschobene Bonus durch einen Lohnrückbehalt finanziert worden ist oder es sich beim aufgeschobenen Bonus um eine Gratifikation handelt. Ohne Zweifel eine Gretchenfrage, wenn man sich die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Beteiligungsplänen vergegenwärtigt. Es entsteht der Eindruck, dass mit der Beantwortung der Frage, ob es sich beim aufgeschobenen Bonus um Lohn oder Gratifikation handelt, alle Rechtsfragen gelöst seien. So wird z.B. die Zulässigkeit gesperrter Aktien, der Aufschub der Fälligkeit von Forderungen über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus und die Zulässigkeit von Verfall- und Clawback-Klauseln bejaht, falls der aufgeschobene Bonus als Gratifikation qualifiziert wird.
Ausgewählte Einzelfragen
Deferred Bonus und Truckverbot
1. Anwendbarkeit des Truckverbots auf den Deferred Cash Bonus
Nach Art. 323b sind Abreden des Lohns im Interesse des Arbeitgebers nichtig. Nach ei- nem Teil der Lehre sind gar alle anderen Abreden zwischen den Parteien, welche die freie Verfügbarkeit des Lohns verhindern, vom Truckverbot erfasst. Wird der Bonus aufgeschoben, wird dem Arbeitnehmer verunmöglicht, frei und nach eigenem Interesse über die aufgeschobene Vergütung zu verfügen.
Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist allerdings nur der Lohn, nicht aber die Gratifikation, vom Truckverbot erfasst. Eine Verletzung des Truckverbots kann also nur dann vor- liegen, wenn es sich beim aufgeschobenen Bonus um Lohn handelt.
Das Truckverbot findet keine Anwendung, wenn es nicht im einzigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers abgeschlossen ist. Beim Deferred Cash Bonus steht m.E. die Bindung des Arbeitnehmers an die Unternehmung im Vordergrund. Handelt es sich beim Deferred Cash Bonus also um Lohn, liegt ein Verstoss gegen das Truckverbot vor; die entsprechende Abrede erweist sich als nichtig. Handelt es sich beim Deferred Cash Bonus dagegen um eine Gratifikation, liegt keine Verletzung des Truckverbots vor.
2. Anwendbarkeit des Truckverbots auf Deferred Stock Units / Deferred Stocks
Zuweilen wird die Meinung vertreten, dass das Truckverbot nur auf Entschädigungen anwendbar ist, welche ausdrücklich in bar gewährt wurden und nicht auf Beteiligungspapiere. Dieser Ansicht kann m.E. nicht gefolgt werden. Richtig ist, dass ein Lohn oder ein Teil des Lohns auch als Naturallohn gewährt werden darf. Wird ein Teil des Lohns als Naturallohn gewährt, liegt damit, isoliert betrachtet, noch keine Verletzung des Truckverbots vor. Wird aber dieser Naturallohn im Interesse des Arbeitgebers verwendet, fällt er unter das Truckverbot. Das ergibt sich aus dem Gesetzestext (Art. 323b Abs. 3 OR). Vom Truckverbot erfasst sind also Abreden über die Verwendung des Lohns, und zwar auch des Naturallohns, im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers.
Deshalb sind Abreden über Sperrfristen- und Verfallregelungen bei Mitarbeiterbeteiligungen unzulässig (Aktien oder Optionen), die Lohncharakter haben. Das Truckverbot wird verletzt, wenn die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch gesperrten und wegen der Vertragsauflösung verfallenden Mitarbeiterbeteiligungen (Aktien, Optionen etc.) durch einen Lohnrückbehalt finanziert worden sind.
Zulässig ist eine Übertragung von Aktien oder Optionen (Mitarbeiterbeteiligungen) an den Arbeitnehmer dagegen dann, wenn die Mitarbeiterbeteiligung eine Gratifikation (Art. 322d OR) darstellt.
Ob die Abrede im einzigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers geschlossen wurde, muss im Einzelfall geprüft werden. Der Arbeitnehmer kann durch Beteiligungs- rechte zwar vom Kursgewinn profitieren, ist aber wegen der Verfallklauseln von einem totalen Kapitalverlust, de facto vom Verlust seines aufgeschobenen Lohns, nicht geschützt. Die LTIP sind überdies auf eine langfristige Bindung des Arbeitnehmers an die Unternehmung ausgelegt, was zumindest tendenziell dafür spricht, dass die Abrede im überwiegen- den Interesse des Arbeitgebers abgeschlossen wurde und damit nichtig ist (soweit es sich um aufgeschobenen Lohn und nicht um eine aufgeschobene Gratifikation handelt).
Truckverbot gilt auch für dem Arbeitgeber nahestehende Unternehmen
Nichtig sind nicht nur die unzulässigen arbeitsvertraglichen Abreden, sondern auch die da- ran gekoppelten Rechtsgeschäfte. Unzulässig sind überdies nicht nur gegen das Truckverbot verstossende Abreden mit dem Arbeitgeber, sondern auch mit dem Arbeitgeber nahe- stehenden Unternehmen. Daraus folgt, dass es für die Frage nach der Anwendbarkeit des Truckverbots nicht darauf ankommen kann, ob der Arbeitnehmer an der Arbeitgebergesellschaft selbst, an einer mit dieser im gleichen Konzern verbundenen anderen, an einer eigens für die Beteiligung geschaffenen oder an der Muttergesellschaft beteiligt wurde. Steht die Arbeitgeberin zu 100% im Besitz einer Muttergesellschaft, bleibt für eine Beteiligung an dieser selbst kein Raum und drängt sich ein Modell unter Vergabe von Anrechten an der Muttergesellschaft auf. Dass auch bei einer derartigen Konstellation die zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts (Art. 361 f. OR) nicht unterlaufen werden dürfen, versteht sich von selbst.
Das Truckverbot als Spielverderber des bedingten Lohnes
Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts kann ein Bonus, der sich als Lohn entlarvt, nicht von der Bedingung eines im Zeitpunkt der Zusprechung oder der Auszahlung ungekündigten Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden. Dies will aus verschiedenen Gründen nicht ohne weiteres einleuchten. So können sich Parteien, ohne Kündigungs- fristen befolgen zu müssen, jederzeit gültig auf eine Lohnkürzung einigen. Es müsste des- halb grundsätzlich auch möglich sein, dass sich die Parteien bereits zum Zeitpunkt der Bonusabrede (des Lohnes) darauf einigen, dass eine Lohnkürzung eintritt, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung steht Art. 341 OR einem nachträglichen Verzicht auf Lohn nicht entgegen, da Art. 322 OR keine zwingende Bestimmung ist. Allerdings entnimmt ein Teil der Lehre der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Bonus mit Lohncharakter, dass in solchen Fällen das Verzichtsverbot gemäss Art. 341 OR auch auf Vergütungen mit Lohncharakter anwendbar sei.36 Das Bundesgericht betont sodann, dass grosse Zurückhaltung gegenüber der Bejahung eines Verzichts auf arbeitsrechtliche Ansprüche geboten ist. Ein solcher ist nur ausnahmsweise zu bejahen.
Es kann indes offenbleiben, ob eine Verfallsabrede für Beteiligungspapiere, die durch einen Lohnrückbehalt finanziert worden sind, zulässig ist. Denn das Truckverbot schiebt solchen Gedankenspielen einen Riegel. Sind der aufgeschobene Cash Bonus oder die aufgeschobenen Beteiligungsrechte durch einen Lohnrückbehalt finanziert worden und wurde die Ab- rede im einzigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers abgeschlossen, verstösst die entsprechende Abrede gegen das Truckverbot und erweist sich als nichtig, und zwar selbst dann, wenn man eine Verfallklausel für Lohn als solche für zulässig halten sollte.
B. Deferred Bonus und Zulässigkeit von Verfallklauseln in Beteiligungsplänen
1. Grundsätzliche Zulässigkeit von Verfallklauseln bei Gratifikationscharakter des Deferred Bonus
Das Bundesgericht hat in BGE 131 III 615 im Zusammenhang mit der Beurteilung eines Truckverbots festgehalten, dass Art. 323b Abs. 3 OR nur den Lohn schütze, nicht aber andere mögliche Zuwendungen wie eine Gratifikation, weshalb die getroffene Sperrfristen- und Verfallregelung zulässig sei. Bereits in BGE 130 III 495 hatte das Bundesgericht entschieden, dass eine Verfügungssperre von fünf Jahren keine übermässige Bindung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ZGB bewirke und nicht sittenwidrig sei.39 Erweist sich der Bonus als Gratifikation und dauert der Aufschub nicht länger als fünf Jahre, scheint der Verfall von Beteiligungsrechten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig zu sein, da die Auszahlung einer Gratifikation von Bedingungen abhängig gemacht werden kann. Nichts anderes dürfte für einen Deferred Cash Bonus gelten, soweit es sich bei diesem um eine Gratifikation handelt.
2. Mutation einer Gratifikation zu Lohn?
Der Deferred Bonus charakterisiert sich dadurch, dass der zugesprochene Bonus nicht aus- bezahlt, sondern aufgeschoben und zu einem späteren Zeitpunkt ausgerichtet wird. Es verstreicht also Zeit zwischen Zuspruch und Auszahlung des Bonus. Die Frage, ob der Bonus als Lohn oder als Gratifikation zu beurteilen ist, dürfte – aus einer zeitlichen Perspektive betrachtet – in vielen Fällen mit Blick auf den Zeitpunkt des Zuspruchs des Bonus entschieden werden; der Arbeitnehmer hat seine Ziele erreicht und erhält deshalb einen Bonus, dessen Ausrichtung aufgeschoben wird. Erweist sich dieser Bonus nach den Beurteilungskriterien des Bundesgerichts als Gratifikation, sind Verfallklauseln nach der oben zitierten Rechtsprechung zulässig.
Einmal Gratifikation, immer Gratifikation scheint demnach die Losung zu sein, ein durch- aus nachvollziehbarer Ansatz. Allerdings besteht die Schwäche dieser Betrachtungsweise darin, dass sie dem Zeitraum zwischen Zuspruch des Bonus und dessen Auszahlung und den zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungen gegebenenfalls zu wenig Beachtung schenkt. So sind durchaus Konstellationen denkbar, in welchen die Auszahlung des aufgeschobenen Bonus neben einem ungekündigten Arbeitsverhältnis vom Erreichen zusätzlicher, objektiv messbarer Ziele abhängig gemacht wird. Damit stellt sich die Frage, ob ein im Zeitpunkt des Zuspruchs ursprünglich als Gratifikation qualifizierter Bonus während des Aufschubs infolge objektiver Messbarkeit der nach erfolgtem Zuspruch zu erreichen- den Ziele nachträglich zu Lohn mutieren kann. Argumente dafür gebe es. Erreicht ein Arbeitnehmer während der Dauer des Aufschubs des Bonus die ihm gesetzten objektiv messbaren Ziele, ist nicht einzusehen, weshalb er im Verhältnis zu demjenigen Mitarbeiter, dessen Bonus bereits beim Zuspruch als Lohn qualifiziert wurde, schlechter gestellt werden sollte, zumal er seinen Bonus ja «doppelt verdient» hat, einmal durch Zielerreichung als Voraussetzung des Zuspruchs und danach durch Zielerreichung nach erfolgtem Zuspruch. Der Zuspruch des Bonus erfolgte überdies als eine Abgeltung für bereits erbrachte Leistungen, weshalb es generell als zumindest fragwürdig erscheint, die Auszahlung des Bonus von weiteren Bedingungen abhängig zu machen. Diesem Argument kann allerdings entgegen gehalten werden, dass eine Gratifikation auch dann noch vorliegt, wenn die Berechnung zwar nach festen Kriterien erfolgt, die Ausrichtung als solche aber im Ermessen des Arbeitgebers verbleibt. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird nur durch Auslegung des gesamten Vergütungssystems (Arbeitsverträge, Beteiligungspläne etc.) zu eruieren sein. Sollte die ursprüngliche Gratifikation nachträglich tatsächlich zu Lohn mutieren, wären Abreden über Sperrfristen- und Verfallregelungen unzulässig.
3. Verfall von bereits gevesteten Beteiligungsrechten
a) Unklarer Begriff des Vestings
Der in Beteiligungsplänen immer wieder anzutreffende Begriff des Vestings bedeutet in direkter Übersetzung «Verleihung» oder «Übertragung». Zuweilen wird die Vesting-Klausel als eine Parteiabrede bezeichnet, wonach der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erwerb von Beteiligungsrechten während einer bestimmten Frist an die Potestativbedingung geknüpft ist, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf dieser Frist weiter besteht. Das Eigentum an den dem Mitarbeiter zugeteilten Beteiligungsrechten gehe erst mit dem Eintritt der vereinbarten Bedingung auf den Mitarbeiter über.
Nun ist aber das Vesting nicht gleichzusetzen mit Auszahlung bzw. Aushändigung von Beteiligungsrechten. Viele Pläne sehen vor, dass bereits gevestete Beteiligungsrechte dem Arbeitnehmer nach einem «Distribution Schedule» oder «Contribution Schedule» – also zu einem späteren Zeitpunkt nach erfolgtem Vesting – ausgehändigt werden, weshalb sich die Frage nach dem Zeitpunkt der Eigentumsübertragung im Sinne der sachenrechtlichen Voraussetzungen stellt. Je nach konkreter Ausgestaltung des Plans ist es durchaus möglich, dass das Eigentum an den Beteiligungsrechten tatsächlich bereits mit dem Vesting auf den Arbeitnehmer übertragen wird (z.B. seinem Depot gutgeschrieben wird), aber eben auch, dass die Eigentumsübertragung erst zu einem späteren Zeitpunkt nach bereits erfolgtem Vesting stattfindet. In diesem Fall befindet sich das rechtliche Schicksal selbst gevesteter Beteiligungsrechte noch in der Schwebe – etwa dann, wenn ein Beteiligungsplan den Verfall der Beteiligungsrechte bei Vorliegen eines Bad Leaver Events nicht nur für nicht gevestete, sondern auch für bereits gevestete Beteiligungsrechte vorsieht.
b) Zulässigkeit des Verfalls bereits gevesteter Beteiligungsrechte?
Vorauszuschicken ist, dass sich die Frage nach der Zulässigkeit des Verfalls bereits gevesteter Beteiligungsrechte nur bei der Qualifikation eines Bonus als Gratifikation (und nicht als Lohn) stellt, da Verfallsabreden bei Mitarbeiterbeteiligungen unzulässig sind, wenn diese Lohncharakter haben.47
Es mag stossend erscheinen, wenn selbst bereits gevestete Beteiligungsrechte noch verfallen können. Dennoch muss mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Clawback-Klauseln davon ausgegangen werden, dass die Verfallabrede bereits gevesteter Beteiligungsrechte grundsätzlich zulässig sein dürfte.
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