Arti­kel ZHAW Alumni

Das Coro­na­vi­rus und seine Aus­wir­kun­gen auf das Arbeitsrecht wer­fen zahl­rei­che und teils nicht gericht­lich beur­teilte Fra­gen auf. Im ers­ten Teil der neuen Rubrik „Recht­s­tips für Alumni“ beleuch­tet der Rechts­an­walt Harry Nötzli die Lohn­fort­zah­lungs­pflicht des Arbeit­ge­bers bei Betriebs­schlies­sun­gen und die kurz­fris­tige Anord­nung von Ferien.

Lohn­fort­zah­lungs­pflicht der Arbeit­ge­be­rin bei Betriebs­schlies­sung
In Kri­sen­zei­ten wie die­ser hat die Arbeit­ge­be­rin die Mög­lich­keit, Kurz­ar­beit zu bean­tra­gen. Aller­dings kann der Arbeit­neh­mer die Kurz­ar­beit auch ableh­nen, weil er grund­sätz­lich eine Kür­zung sei­nes Loh­nes nicht hin­neh­men muss. Die Frage lau­tet dann aller­dings: Trifft die Arbeit­ge­be­rin eine Pflicht zur Ent­rich­tung des vol­len Lohns, auch wenn der Arbeit­neh­mer infolge Betriebs­schlies­sung gar keine Arbeit mehr leis­tet. Die Lehr­mei­nun­gen dazu sind kontrovers.

Denn: Lohn ist nur dann geschul­det, wenn auch Arbeit geleis­tet wird. Es bestehen aber Aus­nah­men: So hat der Arbeit­neh­mer auch dann Anspruch auf Lohn, wenn er wegen Krank­heit oder Umfall arbeits­un­fä­hig ist. Glei­ches gilt, wenn die Arbeit­ge­be­rin in den soge­nann­ten Annah­me­ver­zug gerät. Kann der Arbeit­neh­mer die Arbeit „infolge Ver­schul­dens der Arbeit­ge­be­rin“ nicht leis­ten oder kommt die Arbeit­ge­be­rin „aus ande­ren Grün­den mit der Annahme der Arbeits­leis­tung in Ver­zug“, besteht ein Anspruch des Arbeit­neh­mers auf vol­len Lohn – das Betriebs­ri­siko und das wirt­schaft­li­che Risiko gehö­ren schliess­lich zur Risi­ko­sphäre der Arbeit­ge­be­rin. Obwohl von Drit­ten ver­schul­det oder durch den Markt bedingt, muss die Arbeit­ge­be­rin dem Arbeit­neh­mer dann auch den ver­trag­lich geschul­de­ten Lohn zah­len, wenn der Arbeit­neh­mer die Kurz­ar­beit ablehnt und nicht beschäf­tigt wer­den kann.

Weni­ger klar ist die Rechts­lage aber beim Zufall und der höhe­ren Gewalt wie einer welt­wei­ten Pan­de­mie. Es gibt Exper­ten, die Betriebs­schlies­sun­gen als höhere Gewalt qua­li­fi­zie­ren, die weder zur Risi­ko­sphäre des Arbeit­neh­mers noch der Arbeit­ge­be­rin gehört. Beide Par­teien sind nach die­ser Ansicht von ihrer Leis­tung befreit. Lehnt also ein Arbeit­neh­mer die Kurz­ar­beit ab und kann er infolge Betriebs­schlies­sung nicht beschäf­tigt wer­den, hat er auch kei­nen Anspruch auf Lohn. Für andere Exper­ten wie­derum gehö­ren auch Arbeits­aus­fälle als Folge von höhe­rer Gewalt zum Risiko des Arbeit­ge­bers. Mit der Kon­se­quenz, dass ein Arbeit­neh­mer, wel­cher Kurz­ar­beit ver­wei­gert, aber nicht beschäf­tigt wer­den kann, den­noch Anspruch auf sei­nen Lohn hat. Es liegt ein Annah­me­ver­zug des Arbeit­ge­bers vor.

Anord­nung des Feri­en­be­zugs durch die Arbeit­ge­be­rin
Die Arbeit­ge­be­rin hat grund­sätz­lich das Recht, den Zeit­punkt der Ferien fest­zu­le­gen. Sie muss aber auf die Wün­sche des Arbeit­neh­mers so weit Rück­sicht neh­men, als dies mit den Inte­rer­es­sen des Betriebs ver­ein­bar ist. Dem Arbeit­neh­mer muss zudem genü­gend Zeit für die Feri­en­pla­nung ein­ge­räumt wer­den. Nach der Rechts­spre­chung müs­sen Ferien des­halb min­des­tens drei Monate im Vor­aus ange­kün­digt wer­den. Diese Ankün­di­gungs­frist von drei Mona­ten gilt aber nicht abso­lut – auch ohne Pan­de­mie. So muss der Arbeit­neh­mer etwa im Falle eines dring­li­chen und nicht vor­her­ge­se­he­nen betrieb­li­chen Bedürf­nis­ses eine Ände­rung des Feri­en­zeit­punkts, in Aus­nah­me­fäl­len sogar einen Rück­ruf aus den Ferien, akzep­tie­ren. Immer­hin hat er in einem sol­chen Fall Anspruch auf Ersatz des ent­stan­de­nen Scha­dens durch die Arbeit­ge­be­rin
Viele Arbeit­ge­ber haben ihre Beschäf­tig­ten nach den Betriebs­schlies­sun­gen wäh­rend der Pan­de­mie kurz­fris­tig in die Ferien geschickt, um die Kurz­ar­beit hin­aus­zu­zö­gern und zu ver­hin­dern, dass die Arbeit­neh­mer ihre Ferien bezie­hen, wenn die wirt­schaft­li­che Lage wie­der anzieht. Die drei­mo­na­tige Ankün­di­gungs­frist wurde nicht ein­ge­hal­ten und wird sie auch heute oft­mals nicht, wodurch die Feri­en­pla­nung und –gestal­tung erheb­lich tan­giert wer­den. Ent­schei­dend ist aber, ob dadurch auch Sinn und Zweck der Ferien – die Erho­lung den Arbeit­neh­mers – ver­ei­telt wer­den, was meis­tens nicht der Fall ist. Aus­ser­dem trifft den Arbeits­neh­mer laut gän­gi­ger Mei­nung in Kri­sen­zei­ten eine erhöhte Treue­pflicht gegen­über der Arbeit­ge­be­rin. Die ein­sei­tige Anord­nung von kurz­fris­ti­gen Ferien dürfte unter die­sen Umstän­den des­halb zuläs­sig sein – zur Regel darf sie aber nicht werden.