Das Coronavirus beherrscht die Schlagzeilen. Die Verunsicherung wächst, auch was Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern angeht. Eine kleine Auslegeordnung soll Hilfe für die Beantwortung der dringendsten Fragen hinsichtlich Arbeitsrecht bieten.
Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Infektion?
Damit ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht, muss eine Arbeitsverhinderung im Sinne von Art. 324a Abs. 1 OR vorliegen. Eine blosse Krankheit bedeutet nicht zwingend eine Arbeitsverhinderung. So kann z.B. ein Arbeitnehmer, der zuckerkrank ist, seine Arbeit durchaus verrichten, obwohl er im medizinisch-technischen Sinne unter einer Krankheit leidet. Theoretisch ist möglich, dass ein Arbeitnehmer, der mit dem Coronavirus infiziert ist, immer noch arbeitsfähig ist, wenn die Symptome ausbleiben oder noch nicht stark entwickelt sind. Diese Differenzierung entlarvt sich in der Praxis allerdings als eine akademische. Denn jeder Arzt dürfte bereits bei Verdacht auf eine Virusinfektion mit Blick auf die Ansteckungsgefahr und die propagierte Eindämmung der Epidemie sofort ein Arztzeugnis ausstellen. Es besteht demnach ein Anspruch auf Lohnfortzahlung, sofern der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit durch ein Arztzeugnis belegt.
Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Betreuung kranker Kinder?
Ist ein Kind erkrankt, besteht gemäss Arbeitsrecht eine Verpflichtung des Arbeitgebers, einem Elternteil gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses die zur Betreuung kranker Kinder erforderliche Zeit bis zu drei Tagen pro Krankheitsfall zu gewähren. Falls eine medizinische Notwendigkeit besteht, kann ein Arbeitnehmer auch für längere Zeit von der Arbeitspflicht befreit werden. Diese Art der Verhinderung an der Arbeitsleistung wird der unverschuldeten Verhinderung an der Arbeitsleistung im Sinne von Art. 324a OR gleichgestellt. Es besteht dementsprechend ein Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Anspruch auf Lohnfortzahlung im Falle einer durch eine Behörde verhängten Quarantäne?
Es mag erstaunen, aber aus rein juristischer Perspektive ist die Beantwortung dieser Frage nicht so klar, wie es prima facie scheinen mag. Denn eine Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht nur, wenn die Verhinderung „in der Person des Arbeitnehmers“ liegt (Art. 324a Abs. 1 OR). Diese etwas gestelzte Formulierung bringt zum Ausdruck, dass keine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht, wenn die Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung aus objektiven Gründen erfolgt. Wird nun ein Arbeitnehmer durch eine behördlich verhängte Quarantäne an der Arbeitsleistung gehindert, obwohl er arbeitsfähig wäre, liegt der Grund für diese Verhinderung nicht in der Person des Arbeitnehmers, sondern in der behördlichen Anordnung. Dennoch ist davon auszugehen, dass in der aktuellen Situation auf eine solche juristische Rabulistik verzichtet und der Lohnfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers bejaht wird.
Anspruch auf Lohnfortzahlung im Falle einer Schliessung des Betriebs?
Wird der Betrieb geschlossen, kann der Arbeitnehmer seine dem Arbeitgeber grundsätzlich angebotene Arbeitsleistung nicht erbringen. Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug und muss dem Arbeitnehmer dementsprechend den Lohn vergüten. Tatsächlich verhält es sich so, dass der Arbeitgeber den Umsatzeinbruch bzw. den Einkommensausfall als Folge des unternehmerischen Risikos selber zu tragen hat. Er kann aber u.U. Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung geltend machen.
Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Fernbleiben von der Arbeit aufgrund befürchteter Ansteckung?
Ein Arbeitnehmer, der aus Angst vor einer Ansteckung zu Hause bleibt, kann keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung geltend machen, solange er keine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen vermag und solange keine entsprechende behördliche Anweisung be-steht. Im Gegenteil, es liegt eine unberechtigte Arbeitsverweigerung vor, die den Arbeitgeber im Wiederholungsfall gar zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen mag.
Pflichten des Arbeitgebers / Home Office / Hygienevorschriften / Schutzmasken etc.
Ganz generell gilt im Arbeitsrecht, dass der Arbeitgeber die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen und auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen hat (Art. 328 Abs. 1 OR). Nach Art. 6 Abs. 1 ArG ist er verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind.
Daraus und aus der allgemeinen Weisungsbefugnis des Arbeitgebers folgt, dass er z.B. Regeln bei der Begrüssung von Arbeitskollegen und / oder Geschäftspartnern (z.B. kein Händeschütteln) und spezifische Hygienevorschriften (z.B. Desinfektion der Hände, regelmässiges Händewaschen etc.) implementieren kann. Er ist m.E. auch berechtigt, vorübergehend Home Office anzuordnen, sofern diese Massnahme keinen Dauercharakter hat. Ist Letzteres der Fall, wäre Home Office allerdings nur dann zulässig, falls es arbeitsvertraglich vorgesehen ist oder der Arbeitnehmer sein Einverständnis erklärt (weil andernfalls eine unzulässige einseitige Vertragsänderung vorliegen würde).
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers geht aber (nach Auffassung des SECO) nicht so weit, dass er wegen des Coronavirus Betriebsferien anordnen dürfte. Ebenfalls heikel bzw. in der Tendenz unzulässig sind Anordnungen des Arbeitgebers (insbesondere ausserhalb von sogenannten Tendenzbetrieben), welche in die Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers eingreifen (etwa die Weisung, bestimmte Sportanlässe oder dergleichen nicht besuchen zu dürfen).
Ob schliesslich in Anbetracht des vom Arbeitgeber im Rahmen der gesetzlichen Vor-gaben zu gewährenden Gesundheitsschutzes Hygienemasken zur Verfügung gestellt werden müssen, wird im Einzelfall zu entscheiden sein. Es darf davon ausgegangen werden, dass das BAG bzw. das SECO rechtzeitig kommunizieren wird, in welchen Situationen das Tragen von Hygienemasken am Arbeitsplatz sinnvoll und geboten ist.
Benötigen Sie mehr Informationen? Zögern Sie nicht, direkt mit uns in Kontakt zu treten.